Friedhof der Kuscheltiere
Leinster, Gordon R. Dickson. Die Leute hier auf dem Planeten Quark haben eine merkwürdige Angewohnheit, Leutnant Abelson: wenn eines ihrer Kinder stirbt, ›treffen sie sich zum Lunch‹. Ich weiß -- das klingt grotesk und barbarisch, aber bedenken Sie bitte, daß dieser Planet noch nicht der Erde angeglichen wurde.
»Gewiß doch«, sagte Louis. »Welches Restaurant eignet sich denn am ehesten für die Pause zwischen zwei Besuchszeiten?«
»Nicht aufregen, Lou«, sagte Steve, aber er schien nicht unzufrieden. In diesem Zustand unnatürlicher Gelassenheit hatte Louis das Gefühl, andere Menschen besser durchschauen zu können als je zuvor. Vielleicht war es nur Einbildung, aber in diesem Augenblick schien ihm, als sei Steve der Überzeugung, ein plötzlicher Anflug von Sarkasmus, herausgespritzt wie Galle, sei seinem früheren Zustand der Wirklichkeitsferne vorzuziehen.
»Keine Sorge«, sagte er jetzt zu Steve. »Wie wär's mit Benjamin?«
»Ja«, sagte Steve. »Benjamin ist eine gute Idee.«
Louis hatte das Gespräch vom Büro des Bestattungsunternehmers aus geführt. Als er jetzt auf dem Weg nach draußen am Ostsalon vorüberkam, sah er, daß der Raum fast leer war; nur Irwin und Dory Goldman saßen mit gesenkten Köpfen in der vordersten Reihe. Louis kam es vor, als wollten sie da für alle Zeit sitzen bleiben.
Benjamin war eine gute Wahl. In Bangor gingen die Leute zeitig zum Lunch, und gegen ein Uhr war das Lokal fast leer. Jud war mit Steve und Rachel gekommen, und sie aßen zu viert gebratene Hähnchen. Einmal ging Rachel in die Toilette und blieb dort so lange, daß Steve nervös wurde. Er wollte gerade eine Kellnerin bitten, nach ihr zu sehen, als sie mit roten Augen an den Tisch zurückkam.
Louis stocherte in seinem Hähnchen herum und trank eine Menge Schlitz-Bier. Ohne viel zu reden, hielt Jud Flasche um Flasche mit.
Die vier Teller gingen fast unberührt zurück. Sein geschärftes Einfühlungsvermögen ließ Louis ahnen, daß die Kellnerin, ein molliges Mädchen mit einem hübschen Gesicht, nahe daran war, zu fragen, ob das Essen nicht in Ordnung gewesen wäre, und nach einem weiteren Blick auf Rachels rotgeweinte Augen zu dem Schluß kam, daß die Frage nicht angebracht war. Beim Kaffee machte Rachel eine Bemerkung, so unvermittelt und kühl, daß sie alle betroffen zusammenfuhren -- vor allem Louis, den das Bier endlich schläfrig gemacht hatte.
»Seine Sachen gebe ich der Heilsarmee.«
»Wirklich?« sagte Steve nach einer kurzen Pause.
»Ja«, sagte Rachel. »Vieles ist noch fast neu. All seine Pullover -- seine Cordhosen -- seine Hemden. Irgendwer wird sich freuen, wenn er sie bekommt. Sie sind alle noch gut erhalten. Natürlich außer denen, die er anhatte. Die sind -- unbrauchbar.«
Das letzte Wort war ein erbärmliches Würgen. Sie versuchte Kaffee zu trinken, aber es nützte nichts. Einen Augenblick später schluchzte sie in ihre vorgehaltenen Hände.
Dann kam ein seltsamer Augenblick. Spannungslinien kreuzten sich zwischen ihnen, und alle schienen auf Louis gerichtet zu sein. Er spürte es mit dem gleichen übernatürlichen Einfühlungsvermögen, das er schon den ganzen Tag an sich bemerkte und das jetzt am klarsten und deutlichsten war. Sogar die Kellnerin spürte diese auf ihn zulaufenden Linien. Er sah, wie sie an einem Tisch im Hintergrund stehenblieb, den sie gerade deckte. Einen Augenblick war Louis verwirrt; dann begriff er: sie warteten darauf, daß er seine Frau tröstete.
Er konnte es nicht. Er hätte es gern getan. Er begriff, daß es seine Aufgabe war. Dennoch konnte er es nicht. Es war der Kater, der sich ihm in den Weg stellte. Ganz plötzlich und ohne jeglichen Sinn und Verstand. Der Kater. Der verdammte Kater. Church mit seinen zerfetzten Mäusen und den Vögeln, denen er den Garaus gemacht hatte. Louis hatte das ekelhafte Zeug, wenn er es fand, stets prompt beseitigt, ohne zu murren und zu klagen, und gewiß ohne zu protestieren. Schließlich war er es, der sich das eingehandelt hatte. Aber hatte er sich auch dies hier eingehandelt?
Er sah seine Finger. Louis sah seine Finger. Er sah seine Finger, die leicht über den Rücken von Gages Jacke glitten. Dann war Gages Jacke fort. Dann war Gage fort.
Er blickte in seine Kaffeetasse und ließ seine Frau weinen, ungetröstet.
Nach einem Augenblick -- der an der Uhr gemessen wahrscheinlich recht kurz war, sich aber jetzt und in der Rückschau lange hinzuziehen schien -- legte Steve einen Arm um sie und zog sie
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