Frisch gemacht!
gestehen, aber ob das jetzt wirklich wichtig war? Wo sie sich doch sofort dafür geschämt hat. Ist die Sache damit nicht hinreichend gesühnt? »Ist er ausgerastet, dein Sebastian?«, erkundige ich mich vorsichtig. Nicht, dass ich noch eine emotionale Großbaustelle auftue. »Nee, ach nee, natürlich nicht. Er hat gemeint, wenn du Spaß hast, tu dir keinen Zwang an. Der macht ja auch noch manchmal mit der Rita, na ja, das ist wieder ein anderes Thema.« Oh weia. Das klingt mir aber überhaupt nicht gut. Null Eifersucht, weil er viel zu sehr mit der anderen WG -Mitbewohnerin beschäftigt ist. Ich erahne, dass ich hier gerade auf das eigentliche Problem gestoßen bin. Inge propagiert zwar die große Offenheit und die Abkehr von bürgerlichen Zwängen wie sexueller Treue, aber im wahren Leben ist das Durchhalten von solchen selbst auferlegten Regeln oft verdammt schwer. »Ja aber ist dann nicht der Sebastian das Problem, und nicht der Ede?«, frage ich nach. Jetzt langt es der Inge. »Du kapierst wirklich nichts. Ohne den Ede wäre es nie zu dieser Sache gekommen.« Hä? Zu welcher Sache? Ist jetzt der Ede mit seinem harmlosen Kuss auch noch schuld an Sebastians Rumgemache mit Rita? Ganz so einfach sollte man es sich ja auch nicht machen. »Ob du es
verstehst oder nicht, du solltest gewarnt sein. Komm mir nicht hinterher und jammere mir die Ohren voll, wenn mit dem Ede irgendwas schief läuft«, schnieft sie abschließend. Als ich nochmal genauer nachhorchen will, bekomme ich Ärger mit Karin. »Lass jetzt, du siehst doch, wohin das führt«, warnt sie mich und streichelt dabei weiterhin der armen Inge über den Kopf. Als hätte ich mit dem Thema angefangen. Hätte ich das geahnt. Ich dachte, ich bekomme eine herrliche schlüpfrige Lovestory, und dann endet das mit frustriertem Geheule.
Aber trotzdem: Angefangen hat die Inge schön selbst. Alles muss man sich auch nicht unterschieben lassen.
Jedenfalls bin ich gewarnt. Wenn der Tatschler Ede ein Kerl war, der noch im Nachhinein solche Wellen schlagen kann, muss ich mich wahrlich in Acht nehmen.
Als dann, zwei Wochen später, am Abend vor dem Schwimmkurs das Telefon klingelt und Ede Tatschler dran ist, weiß ich – der Moment ist da. Er robbt sich ran. Wahrscheinlich hat er schon die passende Umkleide für mich rausgesucht. Aber nicht mit mir, denke ich. Nicht mit mir. Mach deine lustigen Spielchen, mit wem du willst, aber mich kriegst du nicht. Ich bin keine leichte Beute. Ich bin nicht die Inge. All das habe ich nicht etwa nur gedacht, sondern dann auch direkt ins Telefon gebrüllt. Der soll schon wissen, mit wem er es zu tun hat. Ich habe dann noch was in der Richtung schwanzgesteuerter Obermacho hinzugefügt, zerre in die Umkleiden, wen du willst, aber nicht mich, und den Hörer aufgeschmissen. Großartiger Auftritt. Ich, Andrea Schnidt – die Rächerin der Entehrten. Inge ist mir ab sofort zu ewiger Dankbarkeit verpflichtet.
Dem habe ich das Handwerk sicherlich dauerhaft verpfuscht.
Emma
sollte mir ein Titelbild widmen. Mindestens.
Zwanzig Minuten später erneutes Telefonklingeln. »Christoph, geh du mal ran«, rufe ich meinem Liebsten zu. Ich liege in der Wanne und feiere meinen Sieg. Bin total geschafft. Und rasend stolz. Bis Christoph im Badezimmer steht: »Sag mal, da war ein Ede irgendwie dran, der hat mich gefragt, ob du Drogen nimmst. Oder diese Krankheit hast, wo man so zuckt und Schimpfworte schreit. Keine Ahnung, wovon der da gesprochen hat. Ich habe nur gesagt, manchmal käme es mir auch so vor. Netter Typ. Hat ganz schön gelacht. Also, ist aber jetzt auch egal, er wollte dir eh nur sagen, dass morgen keine Schwimmstunde ist. Er hätte schon mal deswegen angerufen, wäre aber irgendwie nicht zu Wort gekommen. Also schönen Gruß, lässt er ausrichten, er hofft, es geht dir bald besser, und du sollst nicht umsonst ins Hallenbad fahren. Die Stunde fällt aus. Weil er die Windpocken hat.«
Ich fange an zu verstehen. Der wollte gar nichts. Der wollte tatsächlich einfach nur nett sein und die Schwimmstunde absagen. Was habe ich bloß getan? Frauensolidarität, wo führst du hin? Kann ich für immer in dieser Wanne bleiben?
Ich habe einen windpockenkranken Mann angeschrien und wahrscheinlich zu Unrecht verdächtigt und beschimpft. Wie soll ich je wieder mit Claudia in die Schwimmstunde gehen? Was wird aus ihrer Motorik durch meine Cholerik?
Ich bleibe verschämt in der Wanne, bis sich meine Hände und Füße fast auflösen. Wie soll ich
Weitere Kostenlose Bücher