Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
ihre Hand herunternehmen,
sah aber nun auch nicht viel mehr als Schwarz mit grellen Punkten. Ihre Augen hatten
zu intensiv in die Sonne geblickt. Monika Salmann merkte Livs Blinzelei, störte
sich aber keinesfalls daran. Sie klang ehrlich. Sie hatte sich ihre Zukunft in diesem
Hotel als Chefin vorgestellt. Nun würde wohl alles anders kommen.
»Wie kannst
du so etwas sagen?«, baute Liv sie auf. »Du bist doch noch jung, hast doch gerade
die Hälfte deines Lebens herum. Außerdem braucht dich doch deine Mutter in Bayern.«
»Das ist
ja das Schlimme. Ich kann doch nicht meine besten Jahre damit vergeuden, meine Mutter
zu pflegen. Ich hatte gehofft … Ach, ich war so nah dran. Was fange ich nun an?
Ich muss völlig neu beginnen, bei null sozusagen.«
»Aber das
Startgeld, das dir die Geschwister zahlen, ist doch alles andere als null. Nutze
es, mach das, was du schon immer wolltest, das ist die Chance, neu anzufangen, etwas
Eigenes aufzubauen. Was interessiert dich denn?«, fragte Liv, neugierig auf ihre
Antwort wartend.
»Ach, gar
nichts. Ich wollte hier mit einer richtigen Familie leben. Um Haaresbreite hätte
ich eine eigene richtige Familie gehabt. Meine Eltern kenne ich doch kaum. Ich kam
so früh ins Heim, weil sie tranken und mich misshandelt haben.«
»Wie schrecklich!«,
war Livs zynische Antwort. Denn ihr ging Dags Bezeichnung der Mythomanin nicht aus
dem Kopf.
›Bitte,
nicht schon wieder‹, dachte Liv. ›Nicht schon wieder welche von diesen abscheulichen
Geschichten.‹
»Aber Monika,
deine Familie wäre doch mit einem 84-jährigen Mann auch nicht sehr lange vollständig
gewesen.«
»Was bist
du denn für eine?« Sie schaute Liv entsetzt an.
»Das ist
doch keine große Weisheit und nicht zu leugnen, dass eine 35 Jahre alte Frau noch
mehr Jahre vor sich hat als ein 84 Jahre alter, kränklicher Mann, entschuldige,
aber wie kann man denn davor die Augen verschließen?«
Sie war
still, schaute in die Ferne. »Das habe ich ja nicht, aber es wäre doch zu schön
gewesen. Ist ja auch egal.«
Sie schleuderte
den rechten Fuß herum, ihr Pferdeschwanz flog dieses Mal in die entgegengesetzte
Richtung, nun wandte sie sich Liv direkt zu. Sie wollte das Thema beenden.
»Ich werde
weggehen. Das wird das Beste für mich sein.«
Liv sah
ihre Chance gekommen: »Und was wirst du mit deinen Frosch-Haustieren machen?«
»Die blöden
Viecher bleiben hier bei meiner Freundin«, sagte sie kurz, stockte abrupt und schaute
Liv an. Sie suchte in ihren Augen eine Reaktion, ob Liv ihren Fehler bemerkt hatte.
Liv blinzelte vorsichtshalber, obwohl sie inzwischen ihre volle Sichtstärke zurückhatte.
»Viele Frösche
sind es ja nicht mehr, mir sind einige an einer Krankheit gestorben«, fügte sie
schnell hinzu.
»Hast du
ein Auto, das du mir mal kurz leihen kannst?«, fragte Liv sie nach einem Spontaneinfall.
»Ja«, zögerte
Monika, »aber hast du nicht auch selbst eins?«
»Ich muss
nur kurz in die Stadt, du hast es gleich wieder.«
»Okay.«
Liv hatte
sie überrumpelt, sie übergab ihr den Schlüssel, beschrieb ihr, wo sie das Auto geparkt
hatte, und ging ins Hotel. Liv wusste aber schon länger, wo ihr weißer Mercedes-Cabrio
stand – auf dem Parkplatz des Seniors, der selbst schon lange kein Auto mehr gefahren
war.
Liv setzte
sich ins Auto und fuhr los. Es fuhr sich gut, Liv störte sich nur gewaltig an dem
Stern. ›Spießerkarre!‹, murrte sie.
Schnell
verließ sie das Hotelgelände und schnurrte mit dem Wagen auf den nächsten Parkplatz
am Straßenrand. Der Rheinturm war nun ganz nah, eine leichte Brise wehte von der
Rheinschleife herüber. In der Nebenstraße konnte Liv in Ruhe den Bordcomputer checken.
In kleiner Ausführung hatte sie solch ein Ding in ihrem alten Golf. Monika Salmanns
Tageskilometerstand betrug nur eineinhalb Kilometer. Ihre Wohnung musste demnach
ganz in der Nähe sein.
Livs Handy
klingelte, es war Frank.
»Die Kellnerin
Susanne Weber ist krankgemeldet und hat laut Aussagen ihrer Kollegen keine Frösche.
Aber wieso, was ist mit ihr?«
Liv erzählte
ihm von ihrem Gespräch mit dem Kellner und mahnte Dringlichkeit an.
»Wieso wird
übrigens Monika Salmann nicht bewacht? Dann ist es doch eine Leichtigkeit, ihren
Wohnort herauszufinden.«
»Glaub das
mal nicht. Seit gestern sind unsere Jungs dran. Aber sie haben sie an einer Stelle
verloren. Ich forsche nach, ob das in diesem Umkreis von eineinhalb Kilometern war.
Dann haben wir sie ja schon fast. Nur leider gibt es hier eine Menge
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