Frozen Time (German Edition)
ohnehin nicht! Milo scheint zum gleichen Schluss zu gelangen. »Und was machst du damit?«, fragt er Robin.
»Wir deaktivieren es, das haben wir mit Tessas auch gemacht, damit es nicht mehr mit seinem Signal die Officer anlocken kann.«
Was so simpel klingt, ist für Milo eine schwere Entscheidung. Er ringt mit sich. Dann zieht er das Störband mit einem Ruck vom Handgelenk und streckt seinen Arm aus, als würde es ihn große Kraft kosten. Robin hat bereits seine Zange aus der Hosentasche gezogen und sich auf seinem Stuhl vorgelehnt.
»Es tut gar nicht weh«, erklärt er Milo mit einem gutmütigen Grinsen.
Ich kann meinen Blick nicht von Milos Handgelenk abwenden, als Robin sein Werkzeug unter das Insignal schiebt und es durchtrennt. Ratsch. Ich höre Milo tief durchatmen, als Robin das schmale, silberne Band vor ihm in die Luft hält.
»Kaya kann sich direkt darum kümmern«, sagt Robin und ruft ihren Namen laut in den Nebenraum. Wenige Sekunden später erscheint das Mädchen, das vorhin die Tür geöffnet hat. Die Hände hat sie in den langen Ärmeln ihres Pullis vergraben und den Kragen so weit nach oben gezogen, dass es aussieht, als wolle sie sich darin verstecken. Bei ihrem Anblick wird mir bewusst, wie kühl es eigentlich hier unten ist, und ich bin froh um die wärmende Kapuzenjacke, die ich noch immer trage.
»Was ist los?«, fragt Kaya unwillig.
Als Antwort wedelt Robin nur mit dem silbrigen Band. »Arbeit.«
Kaya kommt zu uns herüber, schiebt eine Hand aus dem Ärmel und greift nach dem Insignal, das Robin noch immer am langen Arm von sich streckt.
»Deins, vermute ich«, sagt sie zu Milo und schenkt ihm ein Lächeln, das ihre Stupsnase in winzige Fältchen legt. Ich bin mir inzwischen ziemlich sicher, dass ich sie nicht leiden kann.
»Hm.« Milo räuspert sich, schiebt sich seine Haare aus der Stirn und hinters Ohr.
»Schickes SmartSet hast du da.« Auch Kayas zweite Hand findet einen Weg aus dem Pulloverärmel heraus und ihr gestreckter Zeigefinger fährt blitzschnell nach vorn. Beinah liebevoll streicht sie mit der Fingerkuppe über den kleinen Apparat an Milos Ohr. Milo zuckt zurück vor der Berührung und ich empfinde eine erstaunliche Befriedigung darüber.
»Tja, Kaya, solchen Hightech-Kram können wir dir hier nicht bieten«, mischt Robin sich mit freundlichem Spott ein. »Kaya ist ein Technikfreak durch und durch«, fährt er an Milo und mich gewandt fort. »Sie hätte eine herausragende Entwicklerin oder Programmiererin abgegeben, aber leider gab es etwas, das der verehrten Regierung wichtiger erschien als ihre erstklassigen Ergebnisse in den Begabungstests.«
»Und was war das?«, wendet Milo sich direkt an Kaya.
»Mein Körper.« Kaya zieht vielsagend die Augenbrauen in die Höhe und ihre winzige Stupsnase rutscht ebenfalls ein Stück nach oben. Milo scheint nicht sofort zu begreifen, was sie meint, aber ich ahne es bereits.
»Ihre medizinischen Tests waren ebenfalls perfekt«, übernimmt Robin für Kaya die Erklärung. »Optimal für die Leihmutterschaft geeignet.«
»Aber das ist doch eine große Ehre«, erwidert Milo kopfschüttelnd.
»Eine Ehre, pff.« Kaya rümpft die Stupsnase, als könne sie noch immer den Gestank der Fäkalien riechen. »Ich kann mir Ehrenvolleres vorstellen, als Jahr für Jahr ein Kind auszutragen, bis ich fünfundzwanzig bin.«
»Aber die Gesellschaft braucht gesunde Kinder«, fällt Milo ihr ins Wort. »Und nur das staatliche Geburtensystem garantiert die bestmöglichen genetischen und pränatalen Bedingungen für neues Leben.«
Was Milo zitiert, ist das, was die Regierung über das staatlich kontrollierte Geburtensystem verbreitet: Nur die genetisch geeignetsten Spender werden für die Ei- und Spermagaben zugelassen und nur die gesündesten Juniormädchen dürfen als Leihmütter ausgewählt werden. Mir ist klar, dass dieses System seit Bestehen der VEN hervorragend funktioniert hat, aber zu meiner eigenen Verwunderung verstehe ich auch, was Kaya zu sagen versucht. Ich weiß plötzlich nicht, was passiert wäre, wenn meine medizinischen Testergebnisse ähnlich gut gewesen wären wir ihre, wenn ich ebenfalls hätte Leihmutter werden sollen. Ich weiß nicht, ob ich damit glücklich gewesen wäre.
»Habt ihr eine Ahnung, was mit den Leihmüttern passiert, wenn sie ihre Aufgabe erfüllt haben?«, fährt Kaya unbeeindruckt von Milos Einwurf fort. »Glaubt ihr, dann dürften sie das tun, wofür sie begabt sind? Nein, sie werden bei der Pflege der
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