Frühling der Barbaren
will join us, my dear›, sagte er an seine Frau gewandt. Aber es sei nun an der Zeit, sich fürs Abendessen frisch zu machen. Ob er, Preising, sich ihnen denn anschließen möge? Er sei sicher, man könne an der langen Tafel einen Platz für ihn frei machen, und sie wären beide sehr dankbar, sagte er mit einem Seitenblick auf seine Frau, einen Gesprächspartner zu haben, der einem weniger fremd sei.
Er habe, so fuhr Sanford fort, gestern mit Staunen der langen Erzählung seiner Tischnachbarin, einer wohl kaum dreißigjährigen Wertpapierhändlerin, gelauscht, die ihm in epischer Breite den glücklichsten Tag ihres Lebens geschildert habe. Der im Wesentlichen darin bestanden hatte, in Zuffenhausen, das sei, soviel er wisse, in Süddeutschland gelegen, einen Sportwagen im Werk abzuholen, den sie sich dank einer, wie sie sich ausdrückte, überdurchschnittlichen annual perfomance mit entsprechendem Bonus leisten konnte, und mit diesem über die tempolimitbefreiten deutschen Autobahnen Richtung England zu fahren, was, so war ihr wichtig zu erwähnen, ein rechtes Abenteuer gewesen sei. Denn es sei bei sehr hohem Tempo doch recht verwirrend, mit einem rechtsgelenkten Wagen durch den ungewohnten Rechtsverkehr zu brausen, und sie sei mehrmals nur durch ihre überaus gesunden, durch die vielen hektischen Stunden im Tradingroom geschärften Reflexe dem Tod von der Schippe gesprungen. Er könne, sagte Sanford, solchen Berichten glücklicherweise mit beruflichem Interesse folgen und sie unter Milieustudie abbuchen. Aus wissenschaftlicher Perspektive sei ihm jegliche Form des Vorurteils suspekt, doch hier sei es absolut beeindruckend, welche Energie diese Leute darauf verwendeten, jedes Klischee zu erfüllen.
Preising musste zu seinem Bedauern die Einladung abschlagen, denn er war mit Saida zum Dinner verabredet. Er folgte aber den beiden durch den Palmenhain zu den Zelten. Sanford schritt voran, mit seinen Trekkingsandalen kleine Staubwölkchen aufwirbelnd, die sich in seinen blonden Wadenhaaren niederließen.
«In meinem Zelt», sagte er, «welches im Inneren kein bisschen nach Zelt aussah und gänzlich mit kostbaren Berberteppichen ausgelegt war, kam ich endlich dazu, meinen Koffer auszupacken, und dabei verfluchte ich meine Haushälterin, die gute Seele.» Mit den Daumen seinen gelben Strumpf liebkosend, hielt er einen Moment inne, um in Gedanken kurz bei seiner Haushälterin zu verweilen, und fuhr dann fort: «Sie hatte mir nahezu ausschließlich helle Kleidung eingepackt. Das meiste sandfarben und funktional. Man hätte mit dem Inhalt meines Koffers Rommels Afrikakorps ausstatten können. Ganz unten fand ich meinen leicht zerknitterten Seersucker-Anzug, den mir einst eine liebe Freundin für eine Gartenparty auf den Hamptons gekauft hatte. Ein gänzlich unpassendes Kleidungsstück für ein Dinner in einer tunesischen Oase, aber wenigstens würde ich nicht aussehen, als wäre ich gerade dem Englischen Patienten entstiegen. Zudem blieb mir keine andere Wahl, denn ich hatte auf dem Souk in Tunis zwei Flaschen Rosenwasser gekauft, als kleine Aufmerksamkeit für meine Haushälterin und meine Sekretärin, wovon die eine nun auf der Fahrt nach Tschub in meinem Koffer geleckt und alle anderen Jacketts mit unansehnlichen rosa Flecken versehen hatte.
Preising rasierte sich und stieg also in den Seersucker-Anzug. Dazu wählte er ein weißes Hemd mit gestärktem Kragen, auf welchem das Rosenwasser nur auf dem Rücken eine Spur hinterlassen hatte. Dann stellte er sich vor den Spiegel mit dem orientalischen Rahmen, öffnete und schloss fünfmal den zweitobersten Hemdknopf, wobei er sich immer wieder prüfend betrachtete, bis er sich mit geschlossenen Augen zu einer komplizierten Bewegung der linken Hand durchrang, bei der es gänzlich dem Zufall überlassen war, ob der Knopf am Ende offen oder geschlossen blieb.
Preising verließ sein Zelt und durchschritt den bereits im Dunkeln liegenden Palmenhain, der nur spärlich von einzelnen Laternen erhellt war. Der ledrige Duft seines Rasierwassers vermischte sich mit der Süße des Rosenwassers. Weiße Brusthaare sprossen ihm aus dem geöffneten Kragen. Aus der Ferne vernahm er bereits das laute Gelächter der jungen Leute. Er schwitzte.
«Man setzte mich an einen kleinen Tisch in der Nähe der Bar, an dem ich auf Saida wartete. Pippa winkte mir von der langen Tafel, die sich durch das ganze Lokal zog, zu. Sanford saß neben ihr und hörte mit einem Glas Bier in der Hand einer jungen
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