FUCK BUDDIES: Männerparadies. Erotischer Roman
obwohl er eigentlich eine weitere Nacht drüber schlafen wollte, war Max jetzt schon geneigt, die vollen beiden Wochen hierzubleiben. Er nahm einen Schluck aus seiner Flasche und schaute sich im Raum um. Draußen auf der Veranda standen diejenigen, die sich unterhalten und eventuell auch neue Bekanntschaften machen wollten. Hier drinnen, bei Jim und seinem Piano, saßen die, die anscheinend nicht auf der Suche waren. Sie alle wirkten, als wären sie angekommen. Hier war zwar jedes Alter vertreten, doch es handelte sich bei Jims Zuhörern hauptsächlich um Paare, die diesen Samstagabend romantisch ausklingen lassen wollten. So kam es Max zumindest vor. Natürlich wusste er nicht, ob sich manche nicht erst vor ein paar Stunden oder gar hier kennengelernt hatten, aber sie alle befanden sich offenbar in ihrem jeweiligen eigenen, kleinen Mikrokosmos. Es ging nur um den anderen und umgekehrt. Auch an der Bar, an der er saß, schien man Zweisamkeit vorzuziehen. Er war offensichtlich der einzige Single hier. Max wurde sentimental. Wahrscheinlich sollte er besser sein Bier draußen auf der Terrasse austrinken und sich unter das Partyvolk mischen. Nur noch ein paar Minuten der schönen Stimme von Jim lauschen, dann würde er das Innere der Bar verlassen.
Da war er wieder.
Einer dieser Augenblicke. Auf die er nicht vorbereitet war. Jim spielte die ersten Töne des nächsten Stücks auf seinem Piano. Max erkannte es sofort. Das war ihr Lied. Das von Tim und ihm . A Different Corner. Sowohl er als auch sein Ex-Freund waren große Fans von George Michael. Dieser Song aus den achtziger Jahren, der so wunderschön traurig war, war das absolute Lieblingslied von ihnen beiden gewesen, wie herausgekommen war, als sie sich kennengelernt hatten. Ein Zufall? Nein, für Max war es damals Schicksal gewesen. Und ein Wink des Himmels. Ein Zeichen, dass Tim und er zusammengehörten.
I’d say love was a magical thing, I’d say love would keep us from pain, had I been there, had I been there …
Jim legte so viel Gefühl in die ersten Zeilen. Mit diesem Lied verband Max alles. Seine Jugend. Sein Coming-out. Sogar sein erstes Mal mit einem Kerl. Den Tod seines Vaters. Bei sämtlichen Lebensamplituden war George dabei. Als sein treuer Begleiter. Und die Klänge von A Different Corner. Mit diesem Lied verband er Trauer. Mit diesem Lied verband er Glück. Mit diesem Lied verband er Tim. Seine vermeintliche Lebensliebe. Jetzt wollte er eigentlich nur noch weg. Weg aus diesem Raum. Weg von George. Weg von Tim. Aber er war fasziniert von Jims gefühlvoller Interpretation. Außerdem wäre es verdammt unhöflich, während der Performance aufzustehen und rauszugehen. Also ertrug er es. So wie er die letzten Monate ertragen hatte.
Die Ohnmacht. Den Liebesentzug. Die Geheimniskrämerei.
I would promise you all of my life …
Max hatte Tim alles versprochen. Und er hatte es auch so gemeint.
But to lose you would cut like a knife …
Es war noch viel schlimmer. Ein Messerstich konnte unter Umständen wieder restlos verheilen. Aber die Wunde, die Tim ihm zugefügt hatte, war ihm an die Substanz gegangen.
So I don’t dare, no I don’t dare …
Max wünschte sich, dass das Lied zu Ende wäre, aber er kannte es zu gut und wusste, dass Jim noch nicht mal in der Mitte angelangt war.
Turn a different corner and we never would have met …
Ja, das genau hätte er sich auch gewünscht. Die Zeit zurückzudrehen, um niemals auf Tim zu treffen. Aber im wahren Leben ging das eben nicht.
You are the only one to stop my tears …
Max kannte die Zeilen in- und auswendig. Er bewegte die Lippen, sang stumm mit. Er schloss die Augen und versuchte, zurückzureisen und den Moment auszumachen, an dem er eventuell hätte abwenden können, dass Tim aufgehört hatte, ihn zu lieben. Als er sie wieder aufschlug, merkte er, dass seine Mühen vergebens gewesen waren. Er war immer noch hier. In den USA. An diesem Samstag. Als Single. Unter lauter glücklichen Paaren.
Max wurde schwindlig. Der Alkohol meldete sich zurück. Viel länger würde er nicht mehr hier sitzen bleiben können. Entweder würde er sich übergeben oder einen ziemlich peinlichen Heulkrampf bekommen. Beides waren für Max undenkbare Optionen. Er erhob sich vom Barhocker, und ungeachtet der verständnislosen Blicke aller Anwesenden, die sich offenbar fragten, wie man bei einem so sensiblen Musikstück so unsensibel den Raum verlassen konnte, suchte er das Weite. Er ergriff die Flucht. Verließ das
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