Fürchte deinen Nächsten!
aufzuladen. Beim letzten Sprung hatte er schon wahnsinnig viel Mühe verwendet, und er dachte daran, daß er sich leicht ausrechnen konnte, wann er es nicht mehr schaffte.
Delany schüttelte den Kopf. Allmählich spürte er auch die Kälte. Wieder ein menschliches Gefühl, das er sich nicht leisten wollte oder konnte. Er haßte es. Er wollte super sein. Unangreifbar. Auch weiterhin unter dem starken Schutz der Hölle stehen. Es lag noch soviel vor ihm, und es waren ausgerechnet die größten Aufgaben, die er zu bewältigen hatte.
Zwei mußten mindestens sterben, wenn nicht drei, denn er hatte den Chinesen nicht vergessen.
Rankin war tot. An diesen Sinclair war er nicht herangekommen. Der Gedanke an ihn sorgte bei ihm für eine innere Unruhe. Sinclair war anders als die meisten Menschen. Zwar sah er so aus wie ein Mensch, doch er besaß eine Waffe, vor der selbst Judas zurückschreckte. Sie konnte für ihn leicht zu einem Todesurteil werden, weil sie in der Lage war, ihm einen Teil der Kraft zu nehmen.
Er stand auf.
Flüche drangen über seine Lippen. Die Bewegungen waren mit Schmerzen verbunden. Zum Glück hielt sich bei dieser Kälte niemand in der Gasse auf. Es war beinahe still. Nur die Geräusche der hinter ihr liegenden Umgebung hörte er. Doch sie beunruhigten ihn nicht.
Breitbeinig blieb er stehen, hielt die Waffe fest und schüttelte sich. Es war kalt geblieben, er hatte diese Kälte auch gespürt. Nun befand sie sich auf dem Rückzug. In seinem Körper fing das Blut wieder an zu arbeiten. Nicht daß es kochte. Es war nur warm geworden, und dieser sich bewegende Strom tat ihm gut.
Er lächelte.
Die neue alte Kraft steckte in ihm. Das Blut des Teufels hatte ihn nicht verlassen. Er war auch weiterhin bei ihm und hielt seinen schützenden Mantel über ihm ausgebreitet.
Vor Delany lag der neue Weg der Rache. Er würde ihn gehen. Er würde sich durch nichts aufhalten lassen. Er mußte es einfach tun, und er würde auch die Personen finden, die er suchte.
Er schnaufte, schaute sich um, schleuderte seine Haare zurück. Jetzt war er bereit.
Drei Namen schwirrten durch seinen Kopf. Marcella Ash, John Sinclair und dieser Chinese. Sie alle würden ihm Tribut zollen müssen. Sie sollten vor ihm knien, und dann würde er sie fertigmachen. Töten mit der Machete und sich an ihrem Tod ergötzen. Sie konnten sich verstecken, wo sie wollten. Sein Spürsinn war einmalig. Er würde sie finden.
Mit diesem Gedanken ging er los und dachte auch daran, daß die Nacht noch sehr lang und dunkel war…
***
Vier große Weihnachtsbäume flankierten den Platz. Sie bildeten die Eckpunkte eines großen Quadrats, in dessen Mitte der weihnachtliche Jahrmarkt zu finden war.
Ein Ort des Trubels, der zahlreichen Menschen, die sich in diese Vergnügungsstätte hineinschoben, umtost von Geräuschen und Gerüchen der unterschiedlichsten Art.
Mal hämmerten harte Techno-Klänge aus den Lautsprechern, dann wieder waren auf hohe Lautstärke gestellte süßliche Weihnachtslieder zu hören. Besonders bei den Karussells für Kleinkinder, die ihre Eltern genau dorthin zogen, um ihre Runden drehen zu dürfen.
Ein Riesenrad gestattete eine Fahrt in die Höhe und den Blick über einen Teil des weihnachtlich dekorierten London. Kugeln, Glitzerkram, Krippenfiguren, Engel, Glühwein, Schnaps, Bier, Losbuden, eine Geisterbahn, schrille Karussells, die Menschen in extreme Situationen brachten, waren ebenso vorhanden wie ein einsamer Posaunenspieler. Der bärtige Mann hockte auf einem Stuhl an einem der Eingänge und versuchte vergeblich, mit seiner Live-Musik gegen den Trubel anzuspielen.
Vor ihm blieb Marcella stehen. Sie griff in die Tasche und holte einige Münzen hervor, die sie in den offenen Posaunenkasten fallen ließ. Die Münzen rutschten aus ihrer von einem braunen Handschuh bedeckten Hand.
Suko stand neben ihr und schaute auf die Frau im dunkelgelben Wollmantel, den Marcella über ihr Kostüm gestreift hatte. Der Mann bedankte sich mit einem Kopfnicken, ohne sein Spiel zu unterbrechen.
»Es war mir ein Bedürfnis, ihm etwas Geld zu geben«, sagte Marcella, als wollte sie sich entschuldigen.
»Nein, nein, schon gut.«
»Wissen Sie, Suko, er ist der einzige hier, der für mich noch so etwas wie Weihnachtsatmosphäre ausstrahlt. Alles andere ist überzogen. Das ist nur Fun, Action. Ein Event, das mit dem eigentlichen Fest nichts mehr zu tun hat.«
»Jeder will verdienen.«
Marcella hängte sich bei ihm ein. »Sie sagen es.«
»Und
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