Gaelen Foley - Knight 03
sind!“ fügte der zweite hinzu.
Benommen starrte sie sie an, während sie sich wieder mit dem Taschentuch die Augen betupfte. „Ich weiß, ich weiß. Aber jetzt geht es erst einmal um meine arme alte Kinder- frau. Irgendwie muss ich nach Yardley, bevor es zu spät ist“, verkündete sie melodramatisch. Sie stellte die Teetas- se ab und erhob sich. „Wenn Sie mich also bitte entschul- digen würden, meine Herren, ich muss weiter.“
„Gestatten Sie, dass wir Ihren Wagen vorfahren lassen“, bat der erste.
„Ich habe keinen Wagen.“
„Dann Ihr Pferd ...“, meinte der zweite.
„Ich habe kein Pferd. Ich konnte es nicht riskieren, mir in den Stallungen meines Vaters ein Tier zu borgen, da ich die Entdeckung befürchten musste.“
Die beiden Jünglinge tauschten einen einvernehmlichen Blick. „In Ordnung“, sagten sie und sahen sie dann an. „Wenn Sie gestatten, Miss, bringen wir Sie rasch und si- cher nach Yardley.“
„Oh, aber ich darf doch Ihre Großzügigkeit nicht so aus- nutzen“, begann sie, doch erstaunlicherweise hatten die beiden vertrauensseligen Jünglinge sie bald vom Gegenteil überzeugt.
Damien sah ein Feld voller Leichen.
Die Waffen schwiegen. Bauern kamen aus den Winkeln der staubigen spanischen Stadt geschlichen und stahlen sich aufs Schlachtfeld. Auf den kahlen Ästen saßen hung-
rig krächzende Raben. Die Bauern arbeiteten sich durch die Leichenberge, stahlen, was sie an Wertsachen finden konnten, nahmen den Toten sogar die Kleider weg. Sie lie- ßen die Toten, Sieger wie Besiegte, im fließenden frühmor- gendlichen Nebel zurück, nackt und ihrer letzten Würde beraubt.
Er sah Soldaten, die damit beschäftigt waren, ihre gefal- lenen Kameraden in Massengräbern zu beerdigen, er hör- te, wie jemand seinen Namen rief. Es war Lucien.
Sein Bruder suchte das Meer an Leichen nach ihm ab, doch Damien konnte sich nicht rühren, konnte seinen Zwillingsbruder nicht rufen. Allmählich wurde ihm be- wusst, dass er schwer verletzt war, dass er unter einem Lei- chenberg lag. Der Engel, der ihn mit sich hinauf in den Himmel nehmen wollte, saß bereits auf einem Wagenrad, das Kinn in die Hand gestützt, die Flügel züchtig gefaltet. Es war ein weiblicher Engel, mit herrlich dunklem Haar und frühlingsgrünen Augen, die bis auf den Grund seiner Seele zu blicken schienen. Sie saß da und schaute ihn nur an.
Hilf mir, versuchte er sie zu bitten, aber er konnte nicht sprechen. Sie schien auf etwas zu warten, auf irgendein Signal, das er ihr aber nicht geben konnte, weil er wie ge- lähmt war, halb tot.
Dann spürte er, wie einer der Bauern an seinen Kleidern zupfte. Panik wallte in ihm auf und schnürte ihm die Keh- le zu. Er konnte sich nicht verteidigen, seine Glieder waren wie erstarrt. Er versuchte zu schreien, aber er brachte kei- nen Ton heraus. Lass die Finger von mir, ich bin nicht tot. Ich bin noch da. Ich bin noch am Leben, verdammt!
Plötzlich wachte er auf und fuhr hoch, schweißbedeckt. Sein Atem ging keuchend, ohrenbetäubend laut in der stockdunklen Stille.
Einen Moment lang wusste er nicht, wo er sich befand. Langsam klärten sich seine Sinne. Seine bösen Erinne- rungen schlüpften unters Bett, wie ein Ungeheuer, das sich ein Kind dort vorstellen mochte. Fürs Erste war er wieder frei.
Er schwang die Beine aus dem Bett, setzte sich auf und griff nach der Kerze auf dem Nachttisch. Seine Hände zit- terten, als er sich an der Zunderbüchse zu schaffen mach-
te. Das Feuer im Kamin war ausgegangen, und im Zimmer war es bitterkalt.
Als es ihm nicht gleich gelang, einen Funken zu schlagen, gab er es auf und legte die Zunderbüchse wieder hin. War ja doch alles vergeblich. Du Dreckskerl, Jason, dachte er. Du hast es gut.
Er rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht, stand dann ruhelos auf und schlüpfte in die Weste. Ansonsten war er noch voll angekleidet, denn es war zu früh gewesen, sich schon schlafen zu legen. Er blickte auf die Uhr: halb zehn.
Miranda.
Der Gedanke an sie zog ihn wieder auf die Seite der Le- benden zurück. Er beschloss, nach ihr zu sehen, da er kei- ne Lust hatte, allein mit sich und seinem Ingrimm zu blei- ben. Die Albträume verfolgten ihn immer noch, und so be- schloss er, Tee und eine leichte Mahlzeit zu bestellen und dann nach Zeus zu schauen. Er ging zu Mirandas Zimmer, um sie zu fragen, ob sie auch noch etwas essen wolle, doch als er leise klopfte, rührte sich nichts.
Schläft wahrscheinlich, dachte er. Er wollte sich schon abwenden,
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