Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)
Menschen und einer unbekannten Zahl Galdäer geführt hatte? Dazu fühlte er sich nicht imstande. Er hatte keine Lust dazu. Seine Verbitterung ging ihm hinter all den schmerzstillenden Mauern nicht sonderlich nahe.
»Wurden die Landeorte der Sonden registriert?«, fragte er.
Dan Brögger guckte beleidigt. »Natürlich! Bei uns geht nichts verloren, alle Informationen werden treu aufbewahrt. Vielleicht gibt es keine andere Abteilung des Flottenkommandos, die derart penibel jede Information archiviert.«
Brögger griff in die Tastatur seiner Wundermaschine. Die Bildwand faltete sich auseinander und bildete eine Art Projektionsfläche, ein großes Fenster. Michael sah es mit Staunen. Das war eben die Technologie, die kaum jemand brauchte. Die dennoch jeden beeindruckte. Ein Schema erschien: Graue flache Gebäude, die Dächer der Archive von Atibon Legba. Diese Archive wurden durchsichtig und gaben ihre wahren Abmessungen preis. Eigens zu diesem Zweck gab es animierte Menschlein, die in den virtuellen Gebäuden umherwuselten. Als Größenvergleich. Die Archive erstreckten sich einige tausend Meter in die Tiefe, und tief unten arbeiteten ununterbrochen kunterbunte Roboter und trieben die Verliese weiter hinab, immer tiefer, um Platz zu schaffen für Speicherblöcke, Speicherblöcke, Speicherblöcke. Am Rand zeigte eine Zahlenleiste die Größenverhältnisse an.
Natürlich war das alles Unsinn. Das Gedächtnis des Flottenkommandos war sicherlich irgendwo, nur verbarg es sich bestimmt nicht in Baracken mit Kellern; diese Bilder sollten lediglich die schiere Ausdehnung der Datenbanken verdeutlichen. Dan Brögger schaute stolz auf die Bildwand. Er schwitzte nicht. Michael Sanderstorm spürte, wie sich in seinem Bewusstsein ein staunendes Gefühl aufbaute, trotz seiner endorphintrunkenen Zufriedenheit. Es war genau das, was diese Projektion endlos in die Tiefe reichender Katakomben bezweckte: Was für Datenmengen mussten in diesen Speichern vergraben sein. Leider konnte er jetzt nicht richtig staunen, nicht auf diesem Trip medikamentöser Gelassenheit.
»Kann ich nach einigen Sonden fragen?«, erkundigte sich Michael.
»Bitte.« Brögger grinste.
»Ich meine, direkt im System?«
»Aber ja doch.« Brögger grinste breiter.
Michael setzte sich vor das Terminal und schaute stumm auf die Anzeigen. Natürlich würde das Ding sich strikt weigern, Befehle von ihm anzunehmen. Er dachte nicht daran, sich mit vergeblichen Versuchen lächerlich zu machen. Einige lange Sekunden vergingen, ehe Dan Brögger sich herabließ, die Konsole für die Benutzung durch einen Fremden zu entriegeln. Michael war nicht sicher, ob der zugeknöpfte Bürokrat darauf gewartet hatte, dass sein Besucher vor den Sicherungen des Wunderapparats kapitulieren würde. Tja, Pech gehabt.
Dann griff Michael in die Tasten – die sich tatsächlich merkwürdig warm anfühlten –, und ließ Brögger staunen über die Sicherheit, mit der er unter Zehntausenden von Angaben nach einigen speziellen Sonden fragte. Sonden, die in Richtung Galdäa geschickt worden waren, natürlich. Und immer ließ Michael durch Tastendruck einen bedruckten Bogen Papier aus dem Drucker kriechen. Was er fand, was die Anzeige ihm sagte, was auf den Papieren stand?
Einmal war jene Sonde mit dem scheinbar völlig unverfänglichen Inhalt nicht in Kondh, sondern in Ganoris gelandet. Fruchtsäfte, Obstkonserven, Wein, Schösslinge, junge Bäume, Samen, Rebstöcke, Anleitungen für den Obstbau, Werkzeugmuster. Ganz Ganoris hielt seitdem ganz Kondh für übergeschnappt und pervers. Wegen eines Rechenfehlers im Sondenlenkmodul. In Ganoris war ein Mann, der sich um Obst kümmerte, nicht einfach nur ein Schwächling, sondern abartig. Eine Frau erst recht. Auf Ganoris gab es nur eine einzige geheiligte Flüssigkeit, und das war Muttermilch. Die ganorischen Fürsten – die wie all ihre Untertanen jenseits des Säuglingsalters nichts anderes tranken als reines Wasser und schärfsten Schnaps – hatten immer auf Kondh herabgeblickt, und nun hatte ihre Verachtung einen greifbaren Grund. Fruchtsaft! Also wirklich! Ausscheidungen! Obst! Ein ganzes Land, das Exkremente fraß ...
Eine Sonde mit medizinischer Ausrüstung und detaillierten Unterlagen zu Anatomie, Histologie, Pathologie war in Kanohook angekommen statt in Tsanama. Wer weiß, was die ehrenwerten Herren Mönche von diesen Dingen hielten. War da nicht was gewesen, mit Fleisch und Knochen und Religion? Michael war der Zusammenhang vor lauter
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