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Ganz oder gar nicht (German Edition)

Ganz oder gar nicht (German Edition)

Titel: Ganz oder gar nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Häusler , Lothar Matthäus
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unsere Verwarnungen im Hollandspiel protestieren. Er wollte seine rote Karte tilgen, ich hatte unberechtigterweise Gelb gesehen. Wir hätten uns den Trip sparen können. Die Verhandlung geriet sehr kurz, und unser Einspruch war erfolglos. Aber nun waren wir in Rom, und auch Rudis neue Liebe Sabrina war in Rom. Die beiden hatten sich bei Thomas Bertholds Junggesellenabschied kennengelernt. Rudi überredete mich, die Gelegenheit zu nutzen und gemeinsam mit seiner neuen Flamme essen zu gehen. Obwohl wir eigentlich am Abend rechtzeitig zurück sein mussten, um mit der Mannschaft auf der Insel Comacina in der Mitte des Comer Sees zu dinieren. Trotz des Zeitdrucks ließen wir es uns in einem römischen Fischrestaurant gut gehen, verplauderten uns prompt, tranken mehr, als wir eigentlich wollten, und schauten viel zu spät auf die Uhr. Den Flieger konnten wir vergessen. »Rudi«, sagte ich, »was soll’s. Wir bleiben hier und sagen dem Franz, wir hätten den Flieger verpasst. So viel Verkehr hier in Rom, kann doch alles passieren. Wir nehmen einen Flieger später, steigen dann in mein Motorboot und fahren den Jungs hinterher.«
    Rudi war verzückt von dem Plan. Er ging auch problemlos auf – bis es darum ging, nach dem Mannschaftsdiner von der Insel zurück ans Festland zu schippern. Ein gewaltiger Sturm war aufgezogen, und die Wellen des Comer Sees türmten sich. Für das Ausflugsboot kein Problem, für mich in meiner neun Meter langen Tullio Abbate, dem Porsche unter den Sportbooten, aber sehr wohl. Mir blieb nichts anderes übrig, als dem Ausflugsboot im Windschatten hinterherzutuckern. Ein kurioses Ende dieser freien Tage. Jetzt hieß es wieder: volle Konzentration auf das Spiel gegen die Tschechen.

WER TRINKT, KANN AUCH TRAINIEREN
    Wie passt das bier- und weinselige Dolce Vita mit der vermuteten Disziplin eines Fußballprofis zusammen? Wunderbar passt das. Ich bin und war sicher kein Alkoholiker. Dennoch habe ich mir als Spieler durchaus mal ein Gläschen zu viel genehmigt. Das wurde dann am nächsten Tag aber wieder abgearbeitet. Sicher war ich auch mal mit Restalkohol beim Training. Die ersten fünfzehn Minuten musste man tapfer sein, dann verschwand der Kater durch die frische Luft und die körperliche Belastung automatisch.
    Auch den Zigaretten konnte ich Jahrzehnte nicht widerstehen. Ich fing mit zwölf, dreizehn an zu rauchen und habe selbst als Spieler zwischen fünf und zehn Stück pro Tag in Asche verwandelt. Nach 25 Jahren hörte ich von einem auf den anderen Tag auf. In Wien hatte ich durch einen Bekannten eine attraktive Iranerin kennengelernt. Er rauchte, ich rauchte, und wie selbstverständlich boten wir dem Mädel auch eine an. »Danke, ich rauche nicht«, sagte sie. Überrascht von mir selbst antwortete ich: »Wenn du nicht rauchst, rauche ich ab heute auch nicht mehr.« Das Versprechen habe ich gehalten – nicht ganz. Heute rauche ich vielleicht ein, zwei Zigaretten im Monat.
    Und dann die Ernährung. Ich legte nie Wert auf Ernährung, auch nicht bei einer WM. Ich habe immer gegessen, was ich wollte. Es hieß damals zwar immer schon: mehr Nudeln, weniger Käse, die Cola weglassen, aber Speisepläne gab es nicht. Die Ernährungswissenschaftler ändern ihre Ratschläge doch sowieso alle zwei Jahre. Mal sollte man Nudeln essen, mal Kartoffeln, dann wieder Fleisch. Ich sage: Nein, man soll sich wohlfühlen im Leben. Dann hast du auch die Kraft, Leistung zu bringen. Was bringt es mir, wenn ich jeden Tag etwas essen muss, nur weil es irgendwo steht, fühle mich aber nicht mehr wohl? Mir sind Spieler begegnet, die haben sich streng nach Richtlinie ernährt, verzichteten völlig auf Alkohol, gingen immer früh ins Bett, waren die totalen Asketen – und wurden doch keine Stammspieler. Das ist doppelt frustrierend. Dann lieber mal einen Hamburger statt schon wieder Gemüse – und dafür in der ersten Elf stehen.
    Früher war ich auch mit diesem Bewusstsein immer in körperlich guter Verfassung und konnte – wenn es darauf ankam – meine Leistung abrufen. Heute tue ich viel zu wenig und genieße viel zu viel. Fünf Kilo habe ich heute mehr an Gewicht als damals als aktiver Spieler. Auf zwei, drei Kilo könnte ich verzichten, wenn es einen Anlass gäbe. Würde jemand zu mir sagen: »Lothar, du bist zu dick«, ließe ich sofort die tägliche Cola weg. Die Kilos würden schnell verschwinden. Ich kann mich quälen, ich kann mich kasteien. Ich weiß ja, an was es liegt.
    Der eine oder andere Freund

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