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Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauck: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Frank
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Seine Tochter Marianne meinte dazu: »Er war ein sehr eigener Typ mit einem speziellen und sehr subtilen Humor. Wer ihn nicht so gut kannte, konnte sich dadurch schnell verletzt fühlen.«
    Es dauerte ein Jahr, bis der extrem geschwächte Heimkehrer so weit aufgepäppelt war, dass er wieder seinem Beruf nachgehen konnte. Nach seiner jahrelangen Abwesenheit von zu Hause wollte er nicht wieder als Kapitän zur See fahren mit der Folge, erneut wochen- und monatelang von seiner Familie getrennt zu sein. Er fuhr damals mit sei 71 ner Frau nach Hamburg, um zu klären, ob er im Hamburger Hafen als Lotse arbeiten konnte. Er wurde aber für zu alt befunden und blieb so notgedrungen in der DDR .
    Zunächst nahm er eine Tätigkeit als Lotse in Wismar auf. Später wechselte er in derselben Funktion in den Rostocker Hafen. Seine Tätigkeit brachte mit sich, dass er hin und wieder Kontakt zu Besatzungen ausländischer Schiffe hatte. Gelegentlich brachte er an einem solchen Tag heimlich einen Stern oder einen Spiegel von der Arbeit mit nach Hause. Das wurde in seiner Familie immer als Sensation empfunden. Westliche Presseprodukte waren ein rares Gut in der DDR , ihre Einführung war verboten und stand unter Strafe. Dass Gauck senior sich über dieses Verbot hinwegsetzte, sagt einiges über seinen Charakter aus. Der Besitz einer westlichen Fachzeitschrift hatte ihm bereits einmal fünfundzwanzig Jahre Lagerhaft eingebrockt.

Vaters Erbe
    Als Vater war Wilhelm Joachim Gauck autoritär. »Der alte Gauck war uns Kindern gegenüber distanziert«, berichtete sein Neffe Jörn-Michael Schmitt. Er habe sich bei seinen Besuchen bei den Gaucks in der Nähe seines Onkels nie sonderlich wohlgefühlt.
    Joachim Gauck erlebte nie, dass der Vater ihn auf den Schoß nahm und an sich drückte. Geschweige denn, dass er seinen Ältesten mal geküsst hätte. Bei Urteilen über seinen Nachwuchs, bei Lob und Tadel, kannte sein Vater »keine Grautöne, nur Schwarz oder Weiß«. Marianne beurteilte ihn rückblickend als »zu strikt, zu streng«. Joachim empfand es als grundsätzlich schwierig, sich mit dem Vater auseinanderzusetzen, der nun wieder unmissverständlich die Rolle als Familienoberhaupt für sich beanspruchte. Jahre 72 lang hatte er ohne ihn auskommen müssen. In dieser Zeit war er zum Vertrauten seiner Mutter geworden, den sie zu Rate zog, weil der eigentliche Partner fehlte. In seinen Memoiren schrieb Gauck dazu: Ich war, »obwohl erst vierzehn, fünfzehn Jahre alt, vor der Zeit gefordert worden, war partiell erwachsen, hin und wieder auch in gewisser Weise frühreif«. Und jetzt sollte er sich vom Vater wieder sagen lassen, wo es langging, noch dazu mitten in der Pubertät? Es konnte gar nicht ausbleiben, dass diese Konstellation zu Konflikten zwischen dem Vater und dem Sohn führen musste.

    14  1956 mit seinem Schulfreund Frank Segelitz auf großer Fahrradtour
    Hinzu kam die Erhöhung von Gauck senior innerhalb 73 der Familie. Sein Schicksal hatte der gesamten Familie Leid zugefügt, ein Leid, das von Olga Gauck während der Abwesenheit ihres Mannes demonstrativ vor sich hergetragen worden war. Nach seiner Rückkehr konnte er nicht einfach wieder zum normalen Vater werden, sondern blieb der Rolle dessen verhaftet, dem großes Unrecht geschehen war. Mit welcher Wortmacht sein Sohn Joachim das in seinen Erinnerungen beklagt, belegt dessen tiefgreifendes emotionales Ringen mit seinem Erzeuger. »Im Rückblick ist mir deutlich geworden, dass ein Opfer-Vater dem pubertierenden Sohn die Auseinandersetzung erschwert. Ich kenne das aus Zeugnissen der Kinder von NS -Opfern und Widerständlern, die hingerichtet wurden. Ich weiß, wie die Heranwachsenden oft zur Anbetung angeleitet und wie Altäre in den Familien errichtet wurden. Ähnlich war es auch bei uns.«
    Ein Ergebnis des väterlichen Vorbildes und seiner Auseinandersetzung mit ihm war, dass Joachim Gauck die Direktheit und teilweise auch die Schroffheit des Vaters als Verhaltensmuster übernahm. Als Erwachsener trat er seinerseits anderen gegenüber oft sehr direkt, gelegentlich rüde auf und stieß sie dabei gehörig vor den Kopf. Zu Heiko Lietz, einem ehemaligen Pastor und Bürgerrechtler, den Gauck seit dem Studium kannte, sagte er im Hinblick auf dessen politische Visionen nach der Wende »Heiko, Leute, die solche Meinungen vertreten wie du, gehören auf die Couch.« Der letzte amtierende Rostocker Stasichef, Artur Amthor, berichtete in seinen Erinnerungen, dass Gauck im April 1990 zu

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