Gaunts Geister - Band 1-3
sie
es wieder und greifen einen unserer Gräben an, um ein schwaches Glied in der
Kette zu finden.« Der Lordgeneral schaute wieder durch sein Teleskop und
betrachtete das fünfzehn Kilometer entfernt stattfindende Gemetzel.
»Das Erste Tanith-Regiment hat
starke Kämpfer in seinen Reihen, General, das habe ich jedenfalls gehört.«
Flense näherte sich Dravere und blieb dann mit auf dem Rücken verschränkten
Händen stehen. Das Narbengewebe auf seiner Wange zwickte und zuckte ein wenig,
wie es oft der Fall war, wenn er innerlich angespannt war. »Es hat sich in
einer Reihe von Feldzügen sehr gut geschlagen und man sagt, Gaunt sei ein sehr
findiger Anführer.«
»Sie kennen ihn?« Der General
wandte sich von dem Teleskop ab und sah ihn fragend an.
Flense antwortete nach einer
kleinen Pause. »Nur seinen Ruf, General«, schluckte er viele Wahrheiten
herunter, »aber ich bin ihm schon im Vorbeigehen begegnet. Seine
Führungsphilosophie entspricht nicht meiner eigenen.«
»Sie mögen ihn nicht, Flense,
habe ich recht?«, fragte Dravere sehr treffend. Er las in Flense wie in einem
Buch und konnte tiefe Ressentiments im Herzen des Obersten erkennen, wenn es um
den berüchtigten und tapferen Kommissar Gaunt ging. Er wusste, woran es lag. Er
hatte die Berichte studiert. Er wusste auch, dass Flense es niemals zur Sprache
bringen würde.
»Offen gestanden? Nein,
General. Er ist ein Kommissar. Ein politischer Offizier. Aber durch eine
Wendung des Schicksals hat er den Befehl über ein Regiment erhalten.
Kriegsmeister Slaydo hat ihm auf dem Totenbett das Kommando über das Erste
Tanith gewährt. Ich verstehe die Rolle der Kommissare in dieser Armee, aber ich
bin nicht mit seinem Status als Offizier einverstanden. Er ist mitfühlend, wo
er inspirierend sein müsste, und inspirierend, wo er dogmatisch sein sollte.
Aber ... trotzdem und vor allen Dingen ist er ein Befehlshaber, dem wir
wahrscheinlich vertrauen können.«
Dravere lächelte. Flenses
Ausbruch war von Herzen gekommen und ehrlich gemeint, aber er wich der
eigentlichen Wahrheit immer noch diplomatisch aus. »Ich vertraue keinem anderen
Befehlshaber außer mir selbst, Flense«, sagte der General kategorisch.
»Wenn ich den Sieg nicht sehen
kann, lege ich ihn auch nicht in andere Hände. Ihre Patrizier werden in Reserve
gehalten, ist es nicht so?«
»Sie sind in den
Arbeiter-Habitaten im Westen kaserniert und bereit, einen Vorstoß an einer
Flanke zu unterstützen.«
»Gehen Sie zu ihnen und bringen
Sie sie in Bereitschaft«, sagte der Armeegeneral. Er ging wieder zum
Kartentisch und zeichnete mit einem Griffel mehrere lange Lichtstreifen auf die
Glasplatte. »Wir sind hier lange genug aufgehalten worden. Ich werde ungeduldig.
Dieser Krieg hätte schon vor Monaten beendet sein müssen. Wie viele Brigaden
haben wir ins Feld geworfen, um das Patt zu überwinden?«
Flense war nicht sicher.
Dravere war dafür bekannt, großzügig mit Menschenmaterial umzugehen. Er rühmte
sich damit, er könne sogar das Schreckensauge ersticken, wenn er genug Männer
zum Einmarschieren habe. Jedenfalls hatte der Mangel an Fortschritten bei
Dravere in den letzten Wochen für zunehmende Frustration gesorgt. Flense nahm
an, dass Dravere darauf erpicht war, Kriegsmeister Macaroth zufriedenzustellen,
den neuen Ober-befehlshaber über den Sabbatwelten-Kreuzzug. Dravere und
Macaroth waren Konkurrenten für Slaydos Nachfolger gewesen.
Nachdem er Macaroth unterlegen
war, hatte er wahrscheinlich eine Menge zu beweisen. Wie zum Beispiel die
Ergebenheit seinem neuen Kriegsmeister gegenüber.
Flense hatte außerdem Gerüchte
gehört, dass Inquisitor Heldane, einer von Draveres engsten Verbündeten, vor
einer Woche zu privaten Gesprächen mit dem Armeegeneral nach Fortis gekommen
war. Jetzt war es so, als sehne sich Dravere danach weiterzuziehen, irgendwo
anders zu sein, um etwas noch Großartigeres zu vollbringen als die Eroberung
einer Welt, auch wenn es eine so wichtige Welt wie Fortis Doppelstern war.
Dravere redete weiter. »Die
Shriven haben heute Morgen in größerer Zahl als je zuvor angegriffen, und sie
werden acht oder neun Stunden brauchen, um sich von ihren jetzigen Vorstößen
zurückzuziehen und neu zu gruppieren. Sie werden mit Ihren Regimentern von
Osten kommen und ihnen den Weg abschneiden. Nutzen Sie diese Geister als Puffer
und schneiden Sie ein Loch ins Herz ihrer Hauptverteidigung. Mit der Hilfe
unseres geliebten Imperators können wir diese Angelegenheit vielleicht
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