Gayheimnisse reloaded (German Edition)
verheddert. Er wusste nicht einmal, wo er beginnen sollte, diesen Knoten zu entwirren.
»Ich hätte vielleicht doch noch etwas warten sollen, Jamiel«, murmelte der Mann neben ihm. Jonas zuckte unter dem Namen zusammen. Sein Name, wie er jetzt wusste: Jamiel. »Nein«, erwiderte er und räusperte sich, weil seine Stimme brüchig klang. »Früher oder später hätte ich es ohnehin erfahren wollen, denke ich.« Er sah erstmals seit der Rückkehr seiner Erinnerungen neben sich und war erstaunt, wie normal – wie menschlich – der andere Mann doch aussah. »Ich hatte Recht«, stellte er mehr für sich selbst fest. »Die Briefe waren von dir.«
Der andere Mann nickte. »Ich wollte dich auf unser Zusammentreffen vorbereiten. Vielleicht hatte ich auch einfach gehofft, dass du dich von allein erinnerst, bevor ich dich mit Gewalt an damals und an uns erinnern muss. Aber du hast meinen Hinweis nicht verstanden.«
Jamiel fuhr sich durch die Haare und hielt verdutzt inne, als ihm die blonden Locken erstmals wirklich auffielen. Engelslocken. Er lachte trocken, aber es erstarb schnell wieder. »Es ist das Letzte, was ich dir damals gesagt habe«, erwiderte er und wandte sich nun ganz dem anderen zu. Mit den Erinnerungen war auch dessen Name zu ihm zurückgekommen: Zyephir. »In der Nacht, in der wir getrennt wurden.«
»Ich kann niemals mehr nach Haus«, zitierte Zyephir und nickte zustimmend.
»Nachdem deine Berührung mir die Flügel vom Rücken gebrannt hat«, sinnierte Jamiel weiter. Es war seltsam, die Bilder vor dem inneren Auge zu sehen. Es war, als würde er einen Film anschauen, aber er wusste genau, dass die Bilder mehr waren; es waren Erinnerungen an eine Zeit, in der sie mit anderen seiner Art über die Menschen gewacht hatten und in der es ihm strengstens verboten war, mit jemand anderem Nähe oder Berührungen auszutauschen.
»Deine schönen weißen Flügel«, erwiderte Zyephir, und in seine goldenen Augen trat Bedauern. Er strich über Jamiels Rücken und verharrte an den Narben. »Es tat mir leid, dass du sie verloren hast.«
Jamiel überlegte einen Moment. »Das war es wert. Auch wenn ich das damals nicht einschätzen konnte.« Er lächelte unwillkürlich, als er an den Grund dachte, der ihm seine Flügel und sein Dasein als himmlisches Wesen geraubt hatte. Erinnerungen an das erste Zusammentreffen mit Zyephir, dem Bewohner der tiefsten, der dunkelsten Sphären, glitten an seinem inneren Auge vorbei. Erinnerungen an Verlockung, an Berührungen heiß wie Feuer, an Küsse, an Gier, an Lust. Und an den Fall, der daraufhin folgte. An seine Strafe.
»Warum hast du mich aufgesucht?«, fragte er Zyephir und musterte den Dämon aufmerksam. »Ich war gefallen und musste lernen, als Mensch zu leben. Bisher hat das ganz gut funktioniert.«
»Ich habe dich gestürzt«, erwiderte Zyephir und hielt Jamiels Blick stand. »Auch wenn es nicht die Weise meiner Art ist, aber ich wollte dich auch nach dem Fall noch haben. Als ich aber die Erde erreichte, warst du bereits verschwunden. Es hat mich ein halbes Jahr gekostet, bis ich dich gefunden hatte. Ein weiteres halbes Jahr habe ich beobachtet, wie du dich machst, ob dir dein Leben in Unwissenheit vielleicht mehr bedeutet. Aber dann habe ich es nicht mehr ausgehalten und begonnen, dir die Briefe zu schreiben. Ich wollte dich zurück.«
Jamiel schmunzelte. Die Worte des Dämons sagten ihm, dass es richtig war, was sie getan hatten. Und dass es richtig war, jetzt zusammen in diesem Bett zu liegen. »Und was wolltest du tun, wenn du mich zurück hast?«
Zyephir zog ihn näher. Auch er lächelte. »Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich hatte noch nie etwas mit einem Menschen.«
Es war Jonas, der lachte, und nicht Jamiel. Er beugte sich über Zyephir. »Gut. Dann lass es uns herausfinden. Auch wenn wir jetzt keine Ewigkeit mehr Zeit dafür haben.«
Zyephir nickte und seine Miene wurde wieder ernster. »Ich brauche keine Ewigkeit mehr. Mir reicht ein Menschenleben.«
Jonas nickte ebenfalls und küsste ihn. »Ein Menschenleben«, sagte er und wusste, dass diese Antwort richtig war. Jetzt und für den Rest seiner Sterblichkeit.
Kira Hawke
wurde 1982 im tiefsten Ruhrpott geboren, wo sie noch heute lebt und schreibt. Seit knapp sechs Jahren gilt ihre Faszination erotischen Geschichten und dem Prickeln zwischen den Figuren, am liebsten zwischen zwei knackigen Kerlen. Unter Pseudonym sind von ihr bereits mehrere Kurzgeschichten und Bücher erschienen.
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