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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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Platz so heißt, für Herzog Karl Eugen halten. Aber der wäre mit seinem Podagra längst vom Gaul gefallen.
    Der Kaiser hat abgedankt, der »Keenich« auch; das Podagra heißt nun Gicht und ist heilbar – und der Schwabe von heute gibt sich redliche Mühe, sich in dem üblichen multikulturellen Umfeld zurechtzufinden. Nur manchmal, wenn ihm der Modernitätsdruck zu groß wird, erleichtert er sich mit einem stillen Seufzer: »O Heimatland!« Dann geht es ihm gleich wieder besser.

Es gibt bloß ein Stuttgart
     
     
     
    Manche Menschen meinen, Schwaben und Stuttgart seien ein und dasselbe – ein Synonym, sozusagen. Aber Vorsicht. Das mag bis 1945 gegolten haben, als man an den Ufern des Nesenbachs noch schwäbisch redete und evangelisch betete. Inzwischen ist Stuttgart eher der suebische Sonderfall: groß, urban, geschäftlich wie kulturell vital, weltoffen und international, nicht nur was das Corps des Stuttgarter Balletts und die Fußballmannschaft des VfB angeht. Jedenfalls, vieles ist hier anders als im schwäbischen Hinterland.
    In den Amts- und Ruhmestiteln der Stadt dominiert das Wörtchen »Haupt«. Jawohl, sie ist die Landeshauptstadt Baden-Württembergs, des einzigen Bundeslandes, das in der Geschichte der Republik den politischen und territorialen Zusammenschluß gewagt und geschafft hat. Jawohl, sie ist Hauptstadt des württembergischen Landesteiles, der – für Altschwaben ein Sakrileg – längst in zwei Regierungspräsidien aufgelöst wurde. Das für den nördlichen Landesteil sitzt in Stuttgart (schon wieder ein Haupt!), das für den südlichen in Tübingen. Und natürlich ist sie Hauptstadt der Region Stuttgart, die Metropolregion sein will. Diese Sammlung von Würden und Bürden stößt manchem badischen Landsmann noch immer hart auf. Allerdings nur so lange, bis man ihn daran erinnert, daß das »Stettlein« um das Jahr 1200 von einem badischen Markgrafen regiert und, sicherheitshalber, mit einer Mauer versehen wurde. Angeblich.
    Ein Badener war es auch, der früh auf die Exklusivität dieser Stadt hinwies – der Regierungsrat und Historiker Hector Wilhelm von Günderode (1755 bis 1786). Er berichtete von einer Schwäbin, die Wien und andere europäische Großstädte besucht und danach, wieder daheim, gerührt festgestellt habe: »Es isch aber oineweg bloß oi Stuttgart.« Will heißen: über Stuttgart geht nichts, trotz aller auswärtigen Pracht (oineweg!), wenigstens für seine eingeborenen Söhne und Töchter.
    Dabei bildet die Stadt nicht nur den Kopf des Landes, in ihr liegt auch der Nabel Schwabens. Wir wollen nicht darüber philosophieren, wo denn die anderen Körperteile anzutreffen seien: der Brustkasten, wie man hierzulande die Frontpartie des Oberkörpers nennt, das Hinterteil, vulgo als »Fiedle« bezeichnet, und die Achillesferse. Das Zentrum aber ist fixiert: Umbilicus Sueviae (Nabel Schwabens) hat der berühmte Architekt Paul Bonatz den Hauptbahnhof genannt, den er vor und nach dem Ersten Weltkrieg geplant und gebaut hat. Später haben seine Nachfahren das Werk als schönsten weltlichen Kirchenbau gerühmt. Nun ja, »Nabele« klingt ziviler.
    Auch der Name der Stadt selbst wirkt nur heroisch, wenn ihn Italiener aussprechen: Stoccarda. Mama mia! Die Schwaben aber können sich bis heute nicht recht entscheiden, wie sie ihre Heimstatt nennen wollen und sollen: Schduegert ist die gängige Version, benützt im Alltag von allem, was unterwegs ist. Allerdings gibt es da auch noch das gehobene »Schduggard« – einer Redeweise entsprungen, die ein Landeshistoriker »Dekansschwäbisch« genannt hat. Der erste Nachkriegs-Oberbürgermeister Arnulf Klett, ein begeisterter Porsche-Fahrer schon damals, sprach immer von Schduggard. Das hatte etwas Gehobenes, Würdiges. Die Jungen behelfen sich heutzutage mit einem coolen Stuggi-Town. Und dem Auswärtigen bleibt freigestellt, wie er mit diesem Problem umgehen will.
Zwischen Berg und Tal
    Andere Städte mögen größer sein, mehr Einwohner haben, fettere Schlagzeilen machen. Doch bei aller landesüblichen Bescheidenheit wollen wir festhalten: Stuttgart hat seinen unübertrefflichen Superlativ. Nämlich: auf keine deutsche Großstadt läßt sich leichter herunterschauen. Das hat weniger mit Herablassung zu tun als vielmehr mit der Topographie. Stuttgart ist schließlich kein langweiliger, breitgewalzter Pfannkuchen, der formlos-flach ins Land hinauswuchert. Nein, die Stadt sitzt, wie das Häslein in der Grube, in einer Kuhle zwischen mindestens

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