Gefangen im Terror (German Edition)
ihm sterben, als zurückbleiben.
Das Auto meiner Eltern blieb im Hof stehen und Mariam versprach mir, dass sie es zurückbringen lassen würde. Wir stiegen bei Batir ein und verließen die wunderschöne Villa mit ungewissem Ziel. Ich blickte noch einmal zurück, als das große Tor hinter den Bäumen verschwand. Hier wäre ich gerne noch ein paar Tage geblieben, um mich auszuruhen und den Frieden zu genießen.
Batir setzte uns in einem kleinen Hotel in der Innenstadt von Tbilisi ab. Er ging mit uns hinein und buchte ein paar Zimmer. Er kannte den Portier und sagte zu ihm: „Meine Geschäftsfreunde sollen gut versorgt sein.“ Mit diesen Worten steckte er einen Geldschein unter die Schreibunterlage an der Rezeption. Zu Achmed gewandt sagte er: „Ich lasse euch abholen, wenn die Papiere fertig sind.“ Er verschwand und wir waren uns selbst überlassen.
Wieder begann ein langes ungewisses Warten. Chamil und ich begaben uns in unser Hotelzimmer. Achmed verließ das Haus.
„Was passiert mit uns, wenn sie Achmed verhaften?“ fragte ich Chamil.
„Warum bleibt er nicht im Hotel, er wird doch steckbrieflich gesucht?“
„Achmed ist ein Fuchs, außerdem weiß er genau wo er hingeht. Mach dir keine Sorgen.“
„Hat er dir wieder einen Schuss gesetzt?“, entfuhr es mir.
Chamil sah mich genervt an: „Du brauchst dir auch um mich keine Sorgen zu machen, Fatma. Ich weiß was ich tue.“
Seine Stimme hatte etwas Überhebliches.
Diesen Ton hatte es zwischen uns noch nie gegeben. Mir traten die Tränen in die Augen. Was war aus uns geworden? Entmutigt ließ ich mich aufs Bett fallen. Es war sinnlos mit ihm zu diskutieren. Seit er unter Achmeds Einfluss stand, war ich nur noch ein unnützes Anhängsel, um das er sich kümmern musste. Ich wagte nicht zu fragen, warum wir nicht bei Achmeds Schwester eine Zeit lang zusammen bleiben konnten. Warum jetzt plötzlich diese Eile und dieses schäbige Hotel?
Chamil ging im Zimmer auf und ab. Er hatte die Hände vor der Brust verkreuzt und schaute mich nicht an. Plötzlich sagte er: „Ich werde jetzt zur Bank gehen und mein restliches Geld abheben. Wer weiß, ob ich in Afghanistan noch daran komme.“
Bis jetzt waren wir ohne Geld ausgekommen, irgendjemand hatte immer für uns bezahlt. Über unsere Finanzen hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich besaß nur ein kleines Konto, auf dem kaum Geld war. Meinen Goldschmuck hatte ich in der Tasche.
Als Achmed zurückkam, verließ Chamil das Hotel, um Geld zu holen. Ich wartete allein im Zimmer und hörte auf die Geräusche in den anderen Räumen. Meine Angst, entdeckt zu werden war groß, obwohl ich keine Ahnung hatte, was mit mir passieren würde. Ich hatte ja nichts getan. In der Zeitung, die Achmed mitgebracht hatte, las ich, dass man einen Terroristen, der in der Schule in Beslan gewesen war, geschnappt hatte und dass man ihn ohne große Umstände erschossen hatte. Das würde Achmed und Chamil auch bevorstehen.
Doch was war mit mir? Meine Situation zusammen mit den beiden Männern war ebenfalls aussichtslos. Niemand würde mir glauben, dass ich keine Terroristin war, wenn ich mit zwei Hauptakteuren unterwegs war.
Chamil hatte sich in den letzten Tagen so verändert, dass ich mich fragen musste, ob ich ihn je richtig gekannt hatte. Was war Tarnung und was Wahrheit? Hatte er mich nur benutzt, um als Terrorist unentdeckt zu bleiben? Ich versuchte, mich an unsere zärtlichsten Stunden zu erinnern. War das alles nur Täuschung gewesen, hatte ich nur geträumt? Ich konnte es nicht glauben. Ich wollte ein ganz normales Leben mit ihm führen. Wenn es notwendig war, würde ich sogar auf meinen Beruf verzichten und nur noch Hausfrau und Mutter sein. Aber im Moment konnte ich mir nicht vorstellen, wie es sich für uns weiterentwickeln sollte.
Chamil erklärte mir, dass wir in Afghanistan in Sicherheit wären. Ab diesem Zeitpunkt würde auch ich endgültig das Lager gewechselt haben. Der Gedanke, dass ich eine Ausbildung zur Terroristin machen sollte, erschien mir unvorstellbar.
Achmed und Chamil waren beide mit Revolvern bewaffnet, das hatte ich gesehen. Die restlichen Waffen waren zum Teil in der Höhle und zum anderen Teil bei Mariam zurückgeblieben. Ich war froh, als ich in Batirs Auto eingestiegen war und dort außer einem normalen Geschäftskoffer keine Maschinenpistolen verladen wurden.
Jeden Tag sah man in Dagestan und Tschetschenien Soldaten oder Milizen mit Waffen im Anschlag, aber ich würde mich nie daran
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