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Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)

Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)

Titel: Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
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dass du ihr keine Nachricht schreiben konntest?«
    »Nein, das nicht, aber …«
    »Kein Aber, April«, unterbrach Thomas. »Deine Mutter hat gesagt, du sollst sofort nach der Schule nach Hause kommen. Kein Wunder, dass sie völlig außer sich ist vor Sorge. Das ist unverantwortlich von dir, April. Absolut unverantwortlich«, schnauzte er.
    April war schockiert über Thomas’ Wutausbruch. Natürlich hatte sie ihren Großvater schon mehr als einmal schreien gehört – Silvia und er kläfften einander in regelmäßigen Abständen wie zwei aggressive Hunde in einem zu engen Zwinger an –, aber seine Wut hatte sich noch nie gegen sie gerichtet. Für ihn war sie stets seine »süße kleine Prinzessin«, die er mit Komplimenten überhäufte und liebevoll in die Arme schloss. Dies war das erste Mal, dass er die Stimme gegen sie erhob.
    Hilfesuchend sah April zu Onkel Luke hinüber, doch ihr Onkel zuckte lediglich mit den Schultern. »Er hat nicht ganz unrecht, Schätzchen«, sagte er. »Wir alle haben uns schreckliche Sorgen um dich gemacht. Wieso hast du keinem gesagt, wohin du gehst?«
    »Ich denke nicht …«
    »Du denkst nicht? Denkst du jemals an irgendjemanden außer an dich selbst?«, herrschte Thomas sie an. »Deine Mutter leidet im Moment schon mehr als genug.«
    »Mum? Leiden?« April lachte auf. »Sie amüsiert sich königlich.«
    »Wie kannst du es wagen!«, schrie Thomas. »Sie ist in tiefer Trauer. Ihr Mann wurde auf ihrer Türschwelle brutal ermordet, und du bist das Einzige, was ihr noch geblieben ist.«
    »Ich weiß, dass er ermordet wurde, Grandpa«, stieß April aufgebracht hervor. »Ich war da, schon vergessen? Sein Blut klebte an meinen Händen und wollte nicht abgehen …« Ihre Stimme begann zu zittern. »Er war mein Dad.«
    »Tut mir leid, mein Schatz«, sagte Thomas eine Spur sanfter. »Ich wollte nicht mit dir schimpfen, aber dir muss doch klar sein, dass wir vom Schlimmsten ausgegangen sind.«
    »Ach ja? Etwas anderes könnt ihr Erwachsenen ja sowieso nicht, stimmt’s?«, rief April wütend. »Ich weiß, dass es im Moment gefährlich ist, in Highgate auf die Straße zu gehen, glaub es mir. Man hat mich angegriffen, mich gejagt und mir Todesangst gemacht. Niemand weiß besser, wie es dort draußen zugeht. Aber was soll ich eurer Meinung nach denn tun? Mich in einem Turm verbarrikadieren?«
    »Das verlangt dein Großvater doch nicht von dir, April«, schaltete sich Luke ein. »Sondern er sagt nur, dass du uns wissen lassen musst, dass es dir gut geht.«
    »Es geht mir aber nicht gut, verdammt noch mal!«, schrie sie. »Ich habe es satt, ständig nur Angst haben zu müssen. Ich will, dass das endlich aufhört – und dass ihr mich pausenlos nur anschreit, hilft mir auch nicht weiter.«
    »Wir wollen doch nur, dass du in Sicherheit bist«, erklärte Thomas und trat zu ihr, um sie in die Arme zu schließen, doch April schob ihn weg.
    »Und wo genau soll das sein? Zu Hause? Wo jemand meinem Vater die Kehle herausgerissen hat? Prima. Dann gehe ich dort gleich wieder hin, wenn ihr das wollt.«
    Sie fuhr herum, stürzte aus dem Zimmer und den Korridor entlang, vorbei an dem verdatterten Stanton und hinaus auf die Straße. Ziellos lief sie durch das dichte Gewirr aus Straßen und über Plätze, ohne auf den Weg zu achten. Nach einer Weile musste sie stehen bleiben, weil ihr die Luft ausging. Wieso mussten sie ihr ständig das Gefühl geben, sie sei an allem schuld? Dabei würde sie mit dem größten Vergnügen in ihr langweiliges altes Leben in Edinburgh zurückkehren. Natürlich war ihr klar, dass Silvia und Grandpa Angst hatten, ihr könnte etwas zustoßen, doch sie schienen ernsthaft zu glauben, dass sie zu Hause sicher war – ausgerechnet an dem Ort, der ihrem Vater zum Verhängnis geworden war.
    Sie hob den Kopf und betrachtete die Häuser – hohe graue Steingebäude im viktorianischen Stil, wie man sie oft auf malerischen Weihnachtskarten sah. Doch statt einladend und behaglich zu wirken, verströmten sie eine unpersönliche, beinahe verwaiste Atmosphäre. Sogar die Straßenbeleuchtung in dieser Gegend war altmodisch, als stamme sie aus einem anderen Zeitalter. Stimmen ertönten hinter ihr. Sie drehte sich um und sah zwei Männer unter lautem Gelächter die Straße herunterkommen. Eilig ging sie weiter und beschleunigte ihre Schritte, bis zur nächsten Kreuzung, wo sie nach links in eine von Geschäften und Restaurants gesäumte Straße einbog. Augenblicklich fühlte sie sich sicherer. Rechts

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