Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)
warm«, sagte Aeriel. »Woher kommt es?«
»Aus der Tiefe, meine Tochter, aus der Erde.«
Aeriel runzelte die Brauen. »Aber es ist warm«, beharrte sie. »Wasser, das aus dem Erdinnern kommt, ist kalt.«
Der Zwerg nickte. »Sicher, stilles Wasser, totes Wasser. Aber dies ist echtes Wasser, mein Mädchen. Es sprudelt, blubbert und fließt über vor Leben.«
»Aber so viel Wasser«, sagte Aeriel ungläubig und dachte an die Tiefe und Breite des Flusses.
»Viel?«, rief ihr Gefährte. »Das kleine Rinnsal? Ach, wenn du die Höhlen von Aiderlan gesehen hättest, wie ich sie aus meiner
Kindheit kenne.« Er seufzte. »Als ich noch jung war, fiel Wasser vom Himmel und ließ die Flüsse schwellen. Wir nannten das Regen.«
»Vom Himmel?«, fragte Aeriel verwundert. »Wie lange ist das her, als du noch jung warst?«
Der Zwerg seufzte wieder. »Zwölf mal tausend Tagmonate«, antwortete er und schwieg eine Weile. Dann blickte er Aeriel an. »Na, wohin, glaubst du, ist das Wasser der Meere geflossen, als sich das Land erhob?« Er lachte leise, traurig. »Unter die Erde, Aeriel, unter die Erde. Hier unten ist Leben.«
Aeriel schluckte die letzten Quittenkerne, lächelte scheu und schwieg.
»Komm!«, sagte der Zwerg und stopfte sich die Reste der Mahlzeit in die Tasche. »Du hast dich doch erholt? Ich möchte dir die Höhlen zeigen.«
»Zuerst einmal diese hier«, sagte Talb und stand von seinem Platz neben dem Feuer auf, wo er und Aeriel ihr Mahl eingenommen hatten. Er klopfte sich den Staub aus dem Rock und anschließend von den Händen. »Dies hier war früher die große Schatzkammer. Sie ist jetzt natürlich völlig leer, der Hofstaat hat alles mitgenommen, als die Königin mit ihrem Volk durch das Sandmeer ins Ostland zog. Alles, das heißt mit Ausnahme der Diamantenklinge, die schon vor langer Zeit in diesen Höhlen verlorenging. Er kommt immer noch herunter und sucht manchmal nach ihr.«
»Wer?«, fragte Aeriel und stand ebenfalls von dem harten Kalksteinboden auf.
»Der Vampir natürlich«, antwortete Talb. »Sicherlich kennst
du die Prophezeiung, oder? Bei allen Wächtern auf dieser Welt! Wo hast du bloß dein Leben verbracht, mein Kind? Hast du nie davon gehört, dass der Vampir und seine sechs Brüder nur durch den Huf des Sternenpferdes und die Diamantenklinge vernichtet werden können? Die Schwerter der Sterblichen können ihnen nichts anhaben, die Diamantenklinge jedoch wurde nicht von Sterblichen in dieser Welt geschmiedet, sondern von unseren Altvorderen, den himmlisch Geborenen, Göttergleichen des Oceanus.«
Talb blickte Aeriel forschend an, doch sie antwortete nur mit einem verwunderten Stirnrunzeln.
»Kind, hast du auch nie von den Göttergleichen gehört?«
Aeriel schüttelte den Kopf. »Nur in vagen Andeutungen und Beschwörungsformeln«, antwortete sie. »Und in Gebeten.« Sie erinnerte sich an ihr verzweifeltes Flehen, das sie an die Unbekannten-Namenlosen gerichtet hatte, als sie noch vor Sonnenaufgang das Gebirge erklommen hatte. Jetzt errötete sie beim Gedanken an ihre Anmaßung. Nicht einmal die Namen der Götter kannte sie.
»Hast du noch nie etwas von den himmlisch Geborenen gehört? «, schnaubte der Zwerg. »Warum sie so heißen? Nun, weil sie es waren, die diesem Land Leben verliehen. Vor ihrer Ankunft war dieser Planet ein toter Himmelskörper. Sie erschlossen das Wasser im Inneren des Bodens, schufen die Atmosphäre und festigten sie, so dass sie sich nicht mehr in das All verflüchtigen konnte. Sie entdeckten die uralten Samen, die schlummernd ruhten, belebten sie und schufen die Pflanzen dieser Welt.«
Der Zwerg holte weit aus, als wollte er den gesamten Planeten mit einbeziehen. Aeriel starrte ihn verwundert an.
»Sie brachten uns auch die Tiere«, erklärte er weiter, »die sie speziell für unsere Welt schufen, und auch uns erschufen sie, meine Tochter, damit wir dieses Land bebauen und Erz aus dem Boden schürfen.« Er verschränkte die Arme und schüttelte dann den Kopf. »Sie selbst lebten in überkuppelten Städten in der Wüste, weil die Luft hier zu dünn zum Atmen für sie war.« Er seufzte. »Sie waren unsere Schöpfer und Führer, denn ihre Kraft war die der Weisheit. Nun aber sind sie alle fort. Große Kriege in ihrem Heimatland waren ihr Untergang, vielleicht aber verloren sie auch nur ihre Schiffe, und so konnten sie nicht mehr aus ihrer fernen Welt weißer Wolken und blauen Wassers durch die Tiefen des Himmels reisen.«
Aeriel blickte ihren Gefährten an.
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