Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)
ergriff Aeriels Arm. »Begleite uns, Schwester. Du siehst aus, als könntest du eine Aufmunterung gebrauchen.«
Aber Aeriel schüttelte den Kopf und machte sich von ihm frei. »Nein, nein. Ich muss zu Irrylath.« Und erst jetzt merkte sie, dass es stimmte, was sie sagte. Sie war in den Garten gekommen, weil sie Irrylath suchte.
»Unser Bruder ist in der Kirche«, sagte Lern. »Dort ist er immer. «
»Er will die Wiederauferstehung des Sternenpferdes miterleben«, sagte Syril. »Nur danach trachtet er, bald in den Besitz des geflügelten Schlachtrosses zu kommen.«
»Gäbe es doch nur mehr als ein Sternenpferd in der Welt«, hörte sie Nar murmeln. »Dann würde ich unserem Bruder im Kampf gegen die Vampire helfen …«
Hadin unterbrach ihn. »Er ist nicht in der Kirche. Vor kurzem noch sah ich ihn hier im Garten.«
Aeriel erhob sich. »Sag mir, wo ich ihn finden kann.«
Hadin war mit ihr aufgestanden. »Da«, sagte er. »Er war jenseits der Hecke. Ich rief nach ihm, aber er gab keine Antwort und ging fort. Er hatte einen Bogen in der Hand.«
Aeriel nickte den Brüdern dankend zu und eilte in die angegebene Richtung. Plötzlich verspürte sie das dringende Bedürfnis, etwas zu unternehmen, als hinge das Schicksal der Welt davon ab. Sie musste Irrylath finden.
Er stand mit gespanntem Bogen da, den Köcher an einer Hüfte, eine Zielscheibe hundert Schritte von ihm entfernt. Die Saite seines Bogens schnellte, sang, und der Pfeil glitzerte wie ein Lichtstrahl. Irrylath drehte sich um, als Aeriel näher kam.
»Deine Mutter war vor einer Stunde bei mir«, sagte sie sanft, »und sprach von dir.«
Irrylath hielt den Atem an. »Was hat sie gesagt?«
»Sie bat mich, von der Zeit zu sprechen, ehe wir hierherkamen. «
Sie sah, wie er erbleichte, seine blauen Augen aufblitzten. »Was hast du ihr erzählt?«
»Nichts«, sagte Aeriel. »Nichts, was ich nicht schon in deiner Gegenwart gesagt hätte. Sie weiß von deinen Träumen.«
Er starrte ausdruckslos durch sie hindurch. Sie atmete langsam zwei-, dreimal aus und ein. Es war, als hätte er vergessen, dass sie da war.
»Als ich noch unter dem Zauberbann der Hexe stand«, sagte er leise, »und dich von Sterblichen sprechen hörte, Wesen, die wachsen und leben und sich verändern, träumte ich davon. Und diese Träume machten mich halb verrückt, weil ich selbst wieder so sein wollte und es nicht konnte.«
Aeriel sah ihn überrascht an. Seit sie in Isternes waren, hatte er noch nie so viel zu ihr gesprochen. Ein Zittern durchlief ihre Brust.
»Und jetzt«, hauchte sie, »was träumst du jetzt?«
Schweigen. Nichts. Dann: »Ich träume«, begann er und schwieg. Er sah sie an, blickte jedoch schnell wieder weg, als ängstigte ihn etwas in ihren Augen. »Nein«, flüsterte er. »Ich kann es nicht sagen.«
Aeriel verschränkte die Finger ineinander und trat einen Schritt näher. »Träumst du«, sagte sie, »da du jetzt wieder ein Wesen aus Fleisch und Blut bist, vom Haus der Weißen Hexe?«
Er atmete aus, fast stöhnend. »Ihr Haus ist kalt«, sagte Irrylath, »ganz still. Nichts verändert sich dort. Kein Geräusch, nur Stille. Keine Musik, außer ihrem seltsamen Gesang. Ihr Haus ist aus Kristall, so trocken und kalt, dass die Kleider klingen, streift man gegen die Wände. Berührst du sie, bleibt die Haut daran kleben.«
Er hatte die Augen geschlossen. Aeriel schüttelte den Kopf. »Jetzt bist du im Haus deiner Mutter. Du bist nicht mehr im Haus der Weißen Hexe.«
»Als ich klein war«, sagte Irrylath, »behauptete die Lorelei, meine Mutter zu sein. Sie legte ihre kalte Hand auf meine Brust und nannte mich ›Sohn‹.« Sein Gesicht sah im Sternenlicht gequält aus.
»Du gehörst ihr nicht mehr!«, schrie Aeriel. »Ich habe jenen Engel der Nacht zerstört.«
»Manchmal«, murmelte er, »wünschte ich, du hättest Königin Syllva alles von Anfang an erzählt, ihr und mir diese Täuschung erspart.« Er sprach mit zusammengepressten Zähnen. »Sie kennt mich nicht.«
Aeriel sah ihn an. Ihr war, als würde sie unendlich weit von ihm fortgetragen. Ihre Lider brannten. »Du bist ihr Sohn.«
» Du kennst mich nicht!« Er spie die Worte fast aus, rang nach Atem, als würde er erdrosselt.
»Mein Mann«, gelang es ihr zu sagen. Ihre Stimme war ein erlöschendes Krächzen. Seine Augen schossen blaue Flammen, wie Lampen kurz vor dem Verlöschen.
»Bin ich das?«, schrie er. »Bin ich das, Aeriel? Glaubst du, dass allein ein Hochzeitstrank mich dazu gemacht
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