Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)
die königliche Prinzessin von dem Baum – sonst wär sie verloren.
Also geschehen die Dinge, von der Stadt Esternesse weitab:
Eine Zusammenkunft von Gargoyles, ein Fest auf dem Stein,
Der Weißen Hexe Helferin wird nicht mehr sein.
Aeriel wickelte sich aus ihrem Hochzeitsgewand und faltete Meter um Meter den hauchdünnen Stoff zusammen. Dann ging sie zu einer großen Truhe aus Rosenholz, klappte den Deckel auf und entnahm ihr das einzige andere Kleidungsstück, das sie noch besaß: den ärmellosen Überwurf, den sie bei den Ma’a-mbai getragen hatte.
Aeriel streifte das Wüstengewand über. Wieder war sie überrascht, wie leicht es sich anfühlte. Mit weiten, luftigen Armlöchern, ohne Kragen hing es ihr gürtellos bis zu den Knien.
»Jetzt fehlt nur noch mein Wanderstab«, murmelte sie, »und ich wäre wieder ein wahrer Wüstenwanderer.«
Sie klappte den schweren Deckel der Truhe wieder zu. Dann nahm sie ihr gefaltetes Hochzeitsgewand und verließ den Raum.
Aeriel eilte durch den leeren Palast. Die Höflinge und Bediensteten schliefen alle. Sie holte ihre Laute aus dem Musikzimmer und trug sie an ihrem Band über der Schulter.
»Sie gehört mir«, sagte sie. »Die Königin hat sie mir geschenkt, und irgendwie muss ich ja meinen Lebensunterhalt verdienen. «
Sie lief durch die große Empfangshalle und wieder nach draußen in den Garten. Dort sammelte sie Mandeln, Datteln und Feigen. Auch nahm sie einen der Kürbisse, die neben dem Bach wuchsen. Die Fischer benutzten die Hüllen der Früchte als Wasserflaschen.
Sie verknotete alles im Stoff ihres Hochzeitsgewandes, klemmte sich das schwere Bündel unter den Arm und eilte auf das Kliff zu, von wo aus man das Meer überblickte. So erreichte sie schließlich die kleine Landspitze und folgte der steinernen Mauer, bis sie an die Treppe kam, deren Stufen nach unten führten. Dort lagen die Sandboote vertäut. Alle waren aus hellem, unbearbeitetem Holz gefertigt und mit zwei flachen Paddeln versehen, die Gleiter genannt wurden. Außerdem war jedes Boot mit einem Mast und einem Lateinsegel ausgestattet.
Aeriel suchte nach Hadins kleinem Fahrzeug. Der jüngste Sohn der Königin hatte sie in der Kunst des Segelns auf dem Sandmeer unterrichtet und ihr gezeigt, wie man am besten mit den Wellen aus feinem Staub fertigwurde. Sie fand das Boot, nahm die Laute von ihrem Rücken und öffnete das Gewand. Sie verstaute ihre Vorräte im Bug und bedeckte sie mit einem aus Hanffaser gewebten Tuch, damit sie nicht einstaubten.
»Aeriel!«
Sie fuhr erschrocken zusammen und drehte sich um. Hadin stand auf der Landzunge. Er war barfuß, trug seine Schuhe in einer Hand und hatte sein gelbes Gewand über eine Schulter geworfen. Er trug nur die knielangen Pantalons, die Unterhosen der Männer in Isternes.
Aeriel löste das Tau und schob das Boot fort. Hadin kam näher,
und Aeriel bemerkte überrascht, dass er vollkommen durchnässt war. Der jüngste Sohn der Königin lachte und schüttelte das Wasser aus seinem Haar.
»Ich bin in den Fluss gefallen, als ich Arat vom Fest nach Hause brachte. Die anderen sind noch dort. Ich stand am Ufer und wrang gerade mein Gewand aus, als ich dich vorbeigehen sah.« Aeriel stand jetzt am Ende des Piers. »Schwester, wohin willst du zu einer solchen Stunde allein?«
»Hadin, leih mir dein Boot«, sagte sie und blickte auf die See.
»Willst du segeln gehen?«, fragte der Prinz, der nun ebenfalls auf dem Pier angekommen war. »Dann begleite ich dich …«
Aber Aeriel schüttelte den Kopf. Der blondhaarige Jüngling wurde plötzlich ernst.
»Schwester, wo willst du hin?« Als Aeriel ihn anblickte, fuhr er zusammen. Dann berührte er sanft ihre Wange und Schulter. »Was ist das?«
Erst da merkte Aeriel, dass ihre Wange, ihr Arm, eine Hand – wo immer die Mädchen sie berührt hatten – mit feinem goldenem Staub bedeckt waren.
»Sie haben mich mit ihrem Gold bestäubt«, murmelte sie und strich mit der Hand darüber. Es leuchtete im Dunkeln.
»Mit wem warst du verabredet?«
Aeriel sah weg. »Botinnen«, sagte sie.
Hadin blickte sie an. »Heute sind keine Botinnen in die Stadt gekommen, jedenfalls nicht durch die Stadttore.«
»Sie kamen nicht auf diesem Weg.«
Der Sohn der Königin schwieg. Dann sagte er: »Wir alle wissen, dass du mehr bist, als du zu sein scheinst, Aeriel.«
Sie sprang ins Boot, wollte endlich lossegeln. »Du redest, als wäre ich eine Hexe.«
Hadin kniete auf dem Pier. »Willst du mir nicht verraten, wohin deine
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