Gefangene des Ruhms - Spindler, E: Gefangene des Ruhms
Schluchzen entrang sich ihrer Kehle. Großer Gott, sie wollten nur ein bisschen Spaß haben, während sie glaubte, gleich sterben zu müssen.
Selbst als ihr retten des Zu hause bereits in Sicht war, hörte Becky Lynn nicht auf zu rennen. Krampfhaft nach Atem ringend stand sie endlich vor ihrem Haus. Ihre Mutter saß auf der Veranda, sie trug noch immer das geblümte Hauskleid und starrte ins Nichts. Als Becky Lynn die Stufen hinaufstürmte, warf sie einen kurzen Blick auf ihre Tochter, sagte aber nichts. Becky Lynn hatte das Gefühl, dass sie sie gar nicht wahrnahm. Nicht richtig zumindest.
Sie stieß die Fliegengittertür auf. Ihr Daddy saß wie üblich auf der Couch und stierte auf den Fernseher. Sie ging an ihm vorbei, ohne dass er ihre Anwesenheit zur Kenntnis genommen hätte. Sie wusste nicht, was sie getan hätte, wenn er in diesem Moment versucht hätte, sich wieder einmal an ihr schadlos zu halten. Sie wollte nur noch allein sein. In ihrem Bett. Und niemals mehr von irgendjemandem angefasst werden.
Becky Lynn schleppte sich in ihr Zimmer, kroch ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf. Sie rollte sich zusammen wie ein waidwundes Tier, wo bei sie so sehr zitterte, dass ihre Zähne aufeinander schlugen. Kalt, dachte sie, Gott, ist mir kalt.
4. KAPITEL
Die Angst wurde in den nächsten Wochen zu ihrem ständigen Begleiter. Becky Lynn hatte Angst in der Schule und im Friseursalon, in dem sie dreimal die Woche nachmittags arbeitete. Morgens an der Bushaltestelle hatte sie ebenso viel Angst wie abends, wenn sie nach Hause ging.
Sie war ständig auf dem Sprung. Sie wartete. Auf das Schlimmste. Sie wartete auf den Augenblick, in dem sie Ricky und Tommy wieder Auge in Auge gegenüberstehen würde, auf den Augenblick, in dem die beiden sie abpassen würden, auf den Augenblick, wo sie hilflos sein würde und total verletzlich.
Sie hatte abgenommen, und unter ihren Augen lagen dunkle Schatten, da sie nachts ständig von Albträumen gequält wurde. Sie war schon immer still gewesen, doch nun hatte sie ganz aufgehört zu reden. Es fiel niemandem auf. Weder ihrer Mutter oder Randy noch irgendeinem Lehrer oder Miss Opal.
Doch etwas anderes hatte sie gar nicht erwartet. Das war auch der Grund dafür, weshalb sie niemandem erzählt hatte, was vorgefallen war. Sie war im Grunde ihres Herzens fest überzeugt davon, dass das die ganze Sache nur noch schlimmer gemacht hätte.
Becky Lynn füllte einen Putzeimer mit Wasser, holte sich einen Schrubber aus dem Lager und begann, den Frisiersalon zu wischen. Miss Opal kassierte eben bei der letzten Kundin ab, und Dixie und Fayrene waren bereits vor einer Stunde nach Hause gegangen. Heute war nicht viel los gewesen, selbst für einen Mittwoch nicht.
Becky Lynn bückte sich, um mit dem Schrubber unter Miss Opals Arbeitsplatz zu kommen. Sie brauchte das Geld, deshalb hatte sie sich bereit erklärt, den Laden dreimal in der Woche nach Ladenschluss zu putzen. Als ihr der erste Schultag nach den Ferien wieder in den Sinn kam, zog sie nachdenklich die Augenbrauen zusammen. Sie hatte sich sehr davor gefürchtet. So sehr, dass sie richtiggehend krank war vor Angst. Natürlich war sie Tommy und Ricky wie zu erwarten irgendwann über den Weg gelaufen, doch sie hatten sie nicht weiter beachtet. Gott sei Dank. Im ersten Moment hatte sie aufgeatmet, wenig später jedoch kehrte die alte Angst zurück.
Sie hatte versucht, sich einzureden, dass die beiden sie vergessen hätten und dass sie in Sicherheit wäre. Aber im Grunde ihres Herzen glaubte sie nicht daran und fürchtete Rickys und Tommys Rache.
Die Ladenglocke bimmelte. In der Erwartung, Miss Opals Freund Tal bot zu sehen, warf Becky Lynn ei nen Blick über die Schulter. Talbot kam immer um diese Zeit, um Miss Opal abzuholen.
Stattdessen stolzierten Ricky und Tommy in den Laden, auf den Lippen ein selbst gewisses, süffisantes Grinsen. Becky Lynn erstarrte. Kamen sie wegen ihr?
Natürlich nicht. Sie holte tief Luft und befahl sich, ruhig zu atmen. Schließlich war sie nicht allein hier. Hier konnte ihr niemand etwas tun.
„Hallo, Jungs.“ Opal machte die Kasse zu und lächelte. „Was kann ich für euch tun?“
„Hallo, Miss Opal, Ma’am.“
Tommy blieb vor dem Tresen stehen, Ricky zwei Schritte hinter ihm. Becky Lynns Hände umklammerten den Besenstiel, während sie ein Stoßgebet zum Himmel sandte, dass die beiden sie nicht entdeckten.
„Ich soll Mama eine Flasche von dem Erdbeerschampoo mitbringen. Sie bezahlt sie
Weitere Kostenlose Bücher