Gefangene des Scheichs: Erotischer Roman (German Edition)
befeuchtet zu haben. Abermals „Hm“, dann war er fertig.
Victoria riss die Augen weit auf. Der Stapel war so dick, dass sie ihn mit zwei Händen packen und in ihre Tasche stopfen musste. Sie verabschiedete sich und schrieb es seinem schauspielerischen Können zu, dass er – anstatt in Jubel auszubrechen – weiterhin mürrisch hinter seinem Tisch hocken blieb.
Ihre Schritte flogen nur so dahin, als hätten sie keinerlei Gewicht zu tragen. Der Kohleruß der Lokomotiven strömte ihr in die Nase, und mit einem Schlag fühlte sie sich wieder wie damals als Kind, als sie mit ihren Freundinnen und den Nannys einen Ausflug gemacht hatte. Ihr Herz hüpfte, entfesselt und von den drängendsten Geldsorgen befreit, in ihrem Brustkorb.
Geschickt schlüpfte sie durch die Menschenmassen, überwältigt von den unterschiedlichsten Farben und Gerüchen, die auf sie einströmten.
Wie gern hätte sie innegehalten, sich irgendwo in eine Nische gestellt und all das genossen, was hier geschah. Das Rufen. Drängeln. Die fremdartigen Stimmen und die bunten Trachten, die zwischen all der europäischen Kleidung immer wieder auftauchten. Doch die Zeit drängte. Den Kofferträger mit seinem Karren wies sie an, an einem Zeitschriftenstand auf sie zu warten, während sie den Ticketschalter suchte.
Da sie erster Klasse reiste, brauchte sie nicht mit den anderen teils erregten, teils erschöpften Menschen in einer langen Schlange anzustehen, sondern konnte sich in einen elegant möblierten Raum setzen, wo man nach und nach aufgerufen wurde.
„Mit was kann ich Ihnen dienen?“, fragte der Mann mittleren Alters in dunkelblauem Anzug und mit tadellos sitzender Frisur umgänglich.
„Ich hätte gern ein Ticket nach Dover.“
„Sie reisen allein, Madam?“ Er legte den Kopf ein wenig schräg und das Licht über ihren Köpfen warf einen funkelnden Schimmer auf seine langsam grau werdenden Schläfen.
„Ja.“
„Sie haben allerdings noch vier Stunden bis zur Abfahrt.“
Vier Stunden … hallte es in Victoria nach. Vier lange Stunden. Da konnte viel geschehen. Ein Schauder erfasste sie, doch sie straffte ihre Schultern und setzte sich sehr gerade hin. Der Hauch eines schweren Parfums erreichte Victoria, als eine elegante Dame sich auf einen Platz zu ihrer Linken setzte.
„Ja. Da kann man nichts machen“, sagte sie so leichthin wie nur möglich und legte einen Stapel Geldscheine vor den Bahnangestellten auf den Tisch. Dieser zählte die Noten ab und überreichte ihr dann das Ticket.
Victoria blickte auf die Fahrkarte. Ein seltsames Gefühl, eine Art düstere Vorahnung ergriff sie plötzlich, und sie hatte alle Mühe, die aufsteigende Furcht – denn nichts anderes war es – ihrer Übermüdung und der Ungeheuerlichkeit ihres Unternehmens zuzuschreiben.Es blieb ihr nichts mehr zu tun, als durchzuatmen, das Ticket einzustecken und irgendwie die vier Stunden Wartezeit hinter sich zu bringen.
Wann Gloria wohl den Brief bekommen würde? Was, wenn sie die Freundin falsch einschätzte und diese sich augenblicklich mit ihren Eltern in Verbindung setzte? Es lag nahe, dass Sie von Dover mit der Fähre nach Frankreich übersetzen würde. Sobald ihre Eltern von ihren Plänen hören würden, würden sie zur Tat schreiten. Mit Sicherheit würden sie alles Menschenmögliche tun, um die entflohene Tochter heimzuholen.
Ob sie sich verstecken sollte? Zwischen all diesen Menschen sollte das kein Problem sein. Aber vier Stunden in einer düsteren Ecke zu kauern, war keine erfreuliche Aussicht.
Als Victoria den Schalterbereich verließ, wurde sie augenblicklich wieder von der lauten Menschenmasse umschlossen, die ihr jetzt das Gefühl einer gewissen Sicherheit vermittelte. Victoria kämpfte sich bis zu dem Kofferträger durch und informierte ihn, dass ihr Zug erst in vier Stunden abfahren werde.
„Wartende Herrschaften gehen gerne in das Café dort drüben“, sagte der Mann mit der schief sitzenden Mütze hilfsbereit.
„Und Sie?“ Es war keine Frage aus Mitgefühl, sondern aus Unsicherheit. Victoria wusste nicht, was Kofferträger während der Wartezeit taten. Gingen sie fort? Musste man rechtzeitig zum Verladen einen neuen suchen?
„Ich werd’ dort drüben warten, Miss. Ihr Gepäck wird rechtzeitig verladen. Aber soweit ich weiß, geht der Zug nach Edinburgh doch schon in ’ner guten Stunde?“ Er hatte einen beinahe väterlichen Tonfall angenommen, wenn er auch nicht viel älter als sie selbst sein mochte.
„Ich reise nicht nach Edinburgh.
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