Gefürchtet
Nomadin?«
»Vielleicht weil wir als Kinder ständig umgezogen sind, oder weil unsere Eltern sich haben scheiden lassen. Und ich natürlich auch.«
»Wie kommst du eigentlich dazu, mein Liebesleben in neun Minuten analysieren zu wollen?«
»Ich will damit nur sagen, dass du dir grundsätzlich einen Fluchtweg offen hältst, damit du jederzeit aussteigen kannst.«
»Das ist doch lächerlich.«
»Wirklich? Warum suchst du dir dann einen Mann, der immer langsamer sein wird als du?«
Ich stand auf. »Das ist unter der Gürtellinie.«
»Und was ist dei ne Alternative?«
»Das muss ich mir nicht anhören.« Ich marschierte in die Küche.
»Ein Pilot, der mit doppelter Schallgeschwindigkeit abzischt.«
Ich lehnte mich an die Küchentheke und ließ den Kopf hängen.
Brian trat zu mir. »Ich kämpfe vielleicht nicht fair, aber ich kenn mich aus.« Er legte mir den Arm um die Schultern. »Dein Leben ist verrückt genug. Du brauchst keine zusätzliche Aufregung, du brauchst Stabilität.«
Ich wehrte mich flüchtig gegen sei ne Umarmung, aber dann gab ich nach und legte den Kopf an seine Schulter.
»Und wie soll ich Stabilität finden, solange mir Avalon im Nacken sitzt?« Ich lachte freudlos. »Ironie des Schicksals: Ich werde von einer Hochzeitskapelle verfolgt.«
Um drei Uhr ging ich nach draußen, um zu meinem Zahnarzttermin zu fahren. Im Garten war es still. Mildes Sonnenlicht fiel auf den Hibiskus, und von der Schule in der Nachbarschaft drang der Lärm spielender Kinder, der mich Lukes Abwesenheit umso schmerz licher empfinden ließ. Im Geiste sah ich Merlin und Murphy im Dunkeln um das Haus schleichen und hörte ihr Flüstern. Das ist eine ganz Schlaue.
Ich aktivierte die Alarmanlage und wollte die Tür abschließen, was nicht ganz einfach war, da mein linker Arm in ei ner Schlinge lag. Plötz lich quietschte das Gartentor hinter mir in den Angeln. Ich zuckte zusammen und ließ die Schlüssel fallen. Der plötzliche Adrenalinstoß brachte mein Herz zum Rasen. Mit fliegenden Fingern sammelte ich die Schlüssel auf und stocherte damit verzweifelt im Schloss herum, aber die Tür wollte sich einfach nicht öffnen.
Der Polizeibeamte, der vor dem Haus postiert war, kam mit einem spektakulären Blumenarrangement durch den Garten.
»Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich dem Floristen die Lieferung abgenommen habe«, sagte er.
Ich zitterte wie ein Wackelpudding. »Nein. Gute Idee.«
Es war ein extravaganter Strauß: rote Löwenmäulchen, weiße Lilien und gelbe Rosen in einer Vase. Eine Samtschleife hielt das Ganze zusammen. Da ich kaum über das Arrangement hinwegblicken, geschweige denn es mit einem Arm tragen
konnte, brachte der Beamte es für mich ins Haus und stellte es auf dem Esstisch ab. Ich bedankte mich und schloss ab.
Die Löwenmäulchen klafften bedrohlich, und die Lilien ließen mich an den Tod denken. Meine Nerven vibrierten wie eine Stimmgabel. Wenn nun Toby die Blumen geschickt hatte - als Warnung?
Ich rief beim Zahnarzt an und sagte meinen Termin ab. Dann nahm ich Brians Waffe mit ins Schlaf zimmer, legte sie auf den Nachttisch, wickelte mich in mei ne Decke und lauschte. Als Jesse um halb sieben die Haustür aufschloss, lag ich immer noch im Bett.
»Ev?«
»Hier hinten.«
Er spähte herein. Die Nachttischlampe warf tiefe Schatten auf sein Gesicht.
»Tolle Blumen. Von wem sind die?«, fragte er.
»Ich hab nicht nachgeschaut.«
Sein Blick blieb an mir hängen. »Dann finde ich es mal besser heraus.«
Das brachte mich trotz Schmerzen erstaunlich schnell auf die Beine. Als ich ins Wohn zimmer kam, hielt er den Umschlag mit der Karte in der Hand. Fragend zog er eine Augenbraue hoch. Ich nickte.
Er riss den Umschlag auf, las die Karte und schnitt eine Grimasse. »Keine Gefahr.« Damit gab er sie mir.
Gute Besserung. Alles Liebe, PJ
Am nächsten Morgen wurde der Beamte vor mei nem Haus abgezogen. Er kam, um sich zu verabschieden. Dann hörte ich, wie er den Motor des Strei fenwagens anließ und davonfuhr.
Als er weg war, räumte ich das Wohnzimmer auf, machte mein Bett und setzte noch eine Kanne Kaffee auf. Dabei hielt ich die Ohren gespitzt. Stereoanlage und Fernseher blieben ausgeschaltet. Wenn ich die Eindringlinge nicht überhören wollte, musste ich jedes Geräusch vermeiden.
Wie zum Beispiel atmen. Atmen war Lärm. Halt die Luft an, Delaney.
Um die Mittagszeit schaute Nikki mit dem Welpen vorbei, um mir meine Post zu bringen. Der Hund zerrte an der Leine und
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