Geh nicht einsam in die Nacht
und sich umständlich ihre Jacke angezogen, unter der sie einen dünnen, schwarzen Polojumper trug, sie sah gleichzeitig jungenhaft und sehr weiblich aus, jetzt ging sie zu Ariel, legte einen Arm um seine Schultern und drückte vorsichtig ihre Wange an seine. Ariel und Jouni zuckten bei dieser intimen Geste zusammen, fingen sich aber beide. »Diesen Song kann man nicht kaputtmachen«, sagte Adriana, »da können sie Mantovani oder Nelson Riddle engagieren und ihn völlig zukleistern, und er wird trotzdem fantastisch sein.« »Außerdem hat Tuomi nichts von The Tijuana Brass gesagt, die bleiben dir also erspart«, fügte Jouni hinzu und warf Adriana einen dankbaren Blick zu. »Da sei dir mal nicht so s-sicher«, erwiderte Ariel, lächelte aber schon wieder. »Untamo schaltet schnell. Vielleicht landet H-Herb Alpert schon morgen in der Stadt.«
Sie nahmen den Bus in die Stadt und zu Stenka Waenerbergs Party. Es war fast acht, Stenka hatte sich schon vor der letzten Aufnahme von Geh nicht einsam in die Nacht in seinen Ford Mercury gesetzt und war gefahren. Der Bus war praktisch leer, nur ein älterer Herr mit Offiziershaltung, zwei junge Frauen in engen Röcken und mit stark geschminkten Augen und die frischgebackenen Schallplattenkünstler Joni, Ariel & Adriana saßen darin. Auf der Fahrt in die Stadt fiel die Anspannung von ihnen ab. Ariel holte eine Flasche Likörwein aus seiner Umhängetasche und bückte sich beim Trinken hinter den Sitz, damit der Fahrer ihn nicht im Spiegel sah. Er bot den anderen die Flasche an. Jouni nahm einen kleinen Schluck, Adriana einen etwas größeren, dann ließen sie Ariel gewähren. Jouni war erleichtert, denn als sie zur Bushaltestelle gegangen waren, hatte er sich immer wieder suchend umgedreht und ständig erwartet, an irgendeiner Straßenecke oder hinter einem Zaun Tapsa Paldanius auftauchen zu sehen, um sich mit ihm zu schlagen. Aber es war nichts passiert, und nun schaute Adriana zum Busfenster hinaus und murmelte widerstrebend: »Entschuldigt bitte, dass ich heute erst so schlecht gesungen habe, ich weiß auch nicht, was mit mir los war.« »Das macht doch nichts«, sagte Jouni wohlwollend, »am Nachmittag warst du ja gut.« Sein Wohlwollen war gespielt: Nach ihrem Tag im Studio war er erschöpft davon, so viele Fäden in der Hand halten zu müssen. Der Moment erhabenen, fast jubelnden Lebensgefühls bei der späten Aufnahme des Songs war vergangen, nun war er wieder sein wachsames und skeptisches Ich, so wie er es in den ersten vier Stunden im Studio hatte sein müssen, als die beiden anderen dem Druck nicht standgehalten hatten. Er war negativ überrascht worden, und es war Adriana, die ihn enttäuscht hatte. Bei Ariel musste man mit allem Möglichen rechnen, aber Adriana hatte alle Auftritte perfekt absolviert, weshalb er nicht erwartet hatte, dass sie dazu beitragen würde, den Tag so kompliziert zu machen.
* * *
Als sie in die Rådmansgatan kamen, war die Party bereits in vollem Gange. Die Wolkendecke war wieder aufgerissen, und der Wind hatte sich gelegt, es war ein schöner Frühlingsabend. Stenkas Wohnung war größer, als Jouni sie in Erinnerung hatte, sie ging quer durch das Haus, von den Fenstern nach Westen hinaus blickte man auf das Häusermeer des Stadtteils Ulrikasborg, von den Fenstern im Osten aus sah man ein Stück der Parkgatan, den Brunnspark und einen Zipfel Meer. Rötliches Licht flutete durch die westlichen Fenster herein und tauchte das Fest in eine traumartige Atmosphäre, alle Konturen wurden weich und die Gesichter im Gegenlicht ausradiert, auf den Wänden bewegten sich langgezogene Schatten. Die Stimmung wurde noch dadurch verstärkt, dass Stenka Musik laufen ließ, die von seinen Künstlern und nicht von ihm selbst ausgewählt worden zu sein schien: aus den Boxen ertönten The Kinks und The Who und anderes, aber kein Jazz.
Joni, Ariel & Adriana waren nicht die einzigen von Stenkas Musikern, die sich eingefunden hatten, im Gewimmel sah man auch die komplette Band Morning Crowd und fast alle von den Namedroppers und den Gitarristen und Sänger Alex Karjagin von Instinct. Die Party war wie eine Karte über alle, die im jungen Helsingfors wichtig waren, sahen Jouni und Adriana, sobald sie über die Türschwelle und in den Lärm traten. Ariel war dagegen schon betrunken und schien keinen der Prominenten zu erkennen, die in ausgeklügelt lässigen Kreationen durch die Zimmer glitten, die Revolte, aber auch gute Finanzen signalisieren sollten.
Day
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