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Gehetzt - Thriller

Titel: Gehetzt - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wozencraft Baerbel Arnold Velten Arnold
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übernähme.
    »Ich dachte, du hättest es gewusst?«
    Gail schüttelte den Kopf.
    »Hast du von irgendeinem von ihnen etwas gehört? Zum Beispiel von Tom?«
    »Nicht direkt.« Gail ertappte sich dabei, dass sie ihre Hände massierte, wie sie es des Öfteren getan hatte, als sie im Zeugenstand gestanden hatte. Sie hörte auf und legte die Hände in den Schoß.
    »Und von Chris und Michelle?«
    »Kein Wort. Ich habe von niemandem etwas gehört.«
    »Seit fast zwanzig Jahren?«
    »Es wäre für jeden von ihnen ziemlich dumm gewesen, sich mit mir in Verbindung zu setzen, meinst du nicht auch?«
    Rick sah sie neugierig an, als ob er weitere Fragen von ihr erwartete, doch sie wandte sich Diane zu.
    »Bist du sauer, weil sie dich zu einer Louisianerin gemacht haben?«
    Diane starrte sie an. »Näää«, stellte sie mit kräftigem Akzent klar, schon ganz in ihrer Rolle als Louisianerin aufgehend. »Ich scheiße darauf, wo ich herkomme, Mädchen, mich interessiert nur, wohin ich unterwegs bin.«
    Gail grinste, schüttelte den Kopf und wandte sich wieder Rick zu. »Read Now, hast du gesagt?«
    »Eine Alphabetisierungskampagne. Wir arbeiten mit unterprivilegierten Kindern im Stadtbereich von Chicago.«
    »Ich habe im Knast das Gleiche gemacht. Ich musste sogar mein eigenes Programm entwickeln.«
    »Vielleicht können wir darauf zurückgreifen?«

    »Es ist Eigentum der Bundesjustizbehörde. Wird wahrscheinlich nie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.«
    »Vielleicht irgendwann doch. Wenn du dich irgendwo etabliert hast. Wir können ja in Verbindung bleiben.«
    »Vielleicht. Sagtest du unterprivilegierte Kinder? Meintest du Gettokinder?«
    »Natürlich. Ist ›unterprivilegiert‹ nicht eins der merkwürdigsten Worte, die je kreiert wurden? Ich meine, Privileg bedeutet doch auch Recht, also bedeutet es, bestimmte Rechte zu haben und Sicherheit zu ge nießen, oder etwa nicht? Wie kann also jemand unterprivilegiert sein? Wenn alle - wir reden hier natürlich rein theoretisch - wenn alle die gleichen Rechte, also Privilegien, haben, dann sind diese Privilegien ja gar keine Privilegien mehr. Dann sind sie einfach nur noch jedermanns Recht.«
    Diane sah ihn an. Er fing an, sich in Rage zu reden, zog an seiner Krawatte und beugte sich zu Gail vor. »So etwas wie unterprivilegiert gibt es überhaupt nicht«, er wurde rot, »zumindest wenn man davon ausgeht, dass allen Menschen die gleichen Rechte zustehen. Denn in dem Fall reden wir gar nicht mehr über Privilegien. Dann verliert das Wort seine Bedeutung. Wer hat das Wort unterprivilegiert überhaupt in die Welt gesetzt? Bestimmt irgendeine reiche republikanische Schlampe, die da rauf aus war, ih ren Alten ins Weiße Haus zu bringen.«
    Diane starrte ihn an. Sie sah aus, als ob sie jeden Moment in einen Lachanfall ausbrechen würde. Gail hob hilflos die Hände. »Wie ich sehe, hast du von deinem Feuer nichts verloren.«
    »Das stimmt nicht.« Er lachte über sich selber. »In Wahrheit bin ich ziemlich ausgebrannt. Bei all dem, was ich Tag für Tag sehe.«

    »Kann ich gut nachvollziehen«, bemerkte Diane. Sie nahm die Fernbedienung und stellte die Lokalnachrichten an.
    Rick warf Diane einen Blick zu, zuckte leicht mit den Achseln und sah Gail ernst an.
    »Es tut mir wirklich leid«, sagte er.
    »Was?« Gail hatte nicht das Gefühl, dass ihm im Hinblick auf sie irgendetwas leidtun musste.
    »Was dir widerfahren ist. Dass es dich so übel erwischt hat. Dabei warst du immer so nett.«
    »He«, Gail schüttelte den Kopf und lä chelte. »Wir wa ren damals alle irgendwie ein bisschen verrückt. Gläubige. Zu innig an irgendetwas zu glauben, ist gefährlich.«
    Rick schüttelte langsam den Kopf, halb lachend, aber nicht, als ob man über etwas Lustiges lacht.
    »Ich kann mir gar nicht vorstel len, wie es gewesen wäre, wenn wir je …«
    »Erfolgreich gewesen wären?«
    »Genau.«
    »Wann bist du ausgestiegen? Wann hast du beschlossen, eine andere Richtung einzuschlagen?«
    Rick sah erneut zu Diane hinüber und sah dann wieder Gail an, mit einem fragenden Blick. Diane hob den Kopf von ihrem Kissen und stellte an ihn gewandt klar: »Ich bin gar nicht da, Süßer. Ich bin nicht mal in diesem Zimmer.«
    Er beugte sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt.
    »Ich glaube, als mir klargeworden ist, wie leicht ich auch hätte dabei sein können. An jenem Tag.«
    Die Bank. Er sprach es nicht aus, nicht vor Diane, gab keine Einzelheiten preis, aber Gail wusste genau, wovon er redete.

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