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Gehetzt - Thriller

Titel: Gehetzt - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wozencraft Baerbel Arnold Velten Arnold
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drehte sich um und sah sie an. »Ich bin nicht ganz sicher, ob ich dir vertraue. Besser gesagt, ob ich dir voll und ganz vertraue.«
    »Warum nicht?«
    »›Vertrauen‹ ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort, um auszudrücken, was ich sagen will. Ich vertraue dir. Ich traue nur nicht deinem Urteil.«
    »Jetzt klingst du wirklich wie eine Mutter.«
    »Rede nicht abschätzig über Erfahrung.«
    »Oh, mein Gott!«
    »Ich meine es ernst. Ich habe was von der Welt gesehen.«
    »Die meiste Zeit warst du eingesperrt! Beinahe halbe-halbe, stimmt das nicht? Was dein Le ben in Freiheit und hinter Gittern angeht. Und deine Zeit in Freiheit war im Wesentlichen deine Kindheit. Und jetzt willst du mir erzählen, wie ich mich verhalten soll?«
    »Ich rate dir nur, es ein bisschen langsamer angehen zu lassen und die Situation gründlich abzuwägen.«
    »Fahren wir deshalb nach Oklahoma? Das direkt an Texas angrenzt?«
    »Dort finden wir ei nen Unterschlupf bei Studienfreunden. Da sind wir sicher.«
    »Weißt du, warum der Staat Texas nicht in den Golf von Mexiko rutscht?«

    »Nein.«
    »Weil es an dem grausigen Oklahoma klebt.«
    »Das ist ja nicht einmal lustig. Das ist kindisch.«
    »Ja, aber genau so empfinde ich für Oklahoma. Ich kann nichts damit anfangen. Es ist platt, staubig, unglaublich hässlich und trockener als ein Popcornfurz.« Sie hielt inne. »Was, um alles in der Welt, ist in dich gefahren, ausgerechnet dort zu studieren?«
    »Mein Interesse für die Geschichte und Kultur amerikanischer Ureinwohner.«
    »Der weiße Mann hat sie so gut wie alle ausgerottet. Ich bin in einigen Reservaten gewesen. Es ist wie ein Besuch im Zoo, nur dass es sich bei den eingesperrten Kreaturen um Menschen handelt. Absolut erbärmlich.«
    »Ich habe mal in einem Reservat gearbeitet. Direkt nach meinem Abschluss.«
    Diane schwieg für einen Moment, dann sagte sie ruhig: »In meinen Adern fließt übrigens indianisches Blut.«
    »Ehrlich?«
    »Von mei ner Urururgroßmutter väterlicherseits. Vielleicht fehlt sogar noch ein Ur. Viel weiß ich nicht darüber. Nur, dass sie dem Stamm der Warm-Springs-Apachen angehörte. Vielleicht ist es auch nur ein Gerücht. Meine Mutter hat es mir mal erzählt. Ich wollte mehr darüber wissen. Aber sie wusste selber nicht mehr.«
    »Wir könnten das recherchieren. Von meinen Freunden, bei denen wir in Oklahoma unterschlüpfen, lehrt einer an der Universität. Er hat Zugang zu allen möglichen Aufzeichnungen und Archiven.«
    Es folgte ein langes Schweigen, so lange, dass Gail das Gefühl hatte, bereits wegzudämmern. Dann hörte sie durch den Nebel schläfriger Benommenheit, wie Diane sich herumwälzte und mit der Decke raschelte.

    »Gail?«
    »Hm?«
    Diane war drauf und dran, Gail von ihrem Telefonat zu erzählen, ihr von Renfro zu erzählen. Doch dann überlegte sie es sich anders. Vielleicht, wenn die Dinge sich etwas beruhigt hatten.
    »Ach, nichts«, sagte Diane. »Ich wollte mich nur noch mal bedanken. Dafür, dass du mich mitgenommen hast.«
    Gail lächelte, obwohl sie wusste, dass Diane es nicht sehen konnte. Aber das Lächeln lag in ihrer Stimme, als sie sagte: »Ohne dich hätte ich es nicht geschafft.«
    Diane lag in der Dunkelheit und hörte Gails Atemzüge allmählich in den regelmäßigen Rhythmus einer Schlafenden übergehen, wie sie es in all ihren gemeinsamen Nächten in der Zelle gehört hatte. Sie dachte zurück an Rick Reeds Besuch, daran, dass er irgendetwas leicht Künstliches an sich gehabt hatte. Wie Fertigkartoffelpüree, so locker und köstlich es auch aussehen mag, immer ein wenig nach der Pappe der Verpackung zu schmecken scheint, aus der es gekommen ist. Wahrscheinlich hatte ihn einfach nur die Gegenwart einer Polizistin nervös gemacht. Oder besser gesagt einer Expolizistin. Aber sie wusste, wie die Leute dachten, selbst ganz normale erwachsene Bürger hatten diese Einstellung: einmal Bulle, immer Bulle. Genauso wie Polizisten dachten, dass Kriminelle sich nie änderten. All das wirbelte in ihrem Kopf herum.
    Da sie nicht schlafen konnte, stand sie auf und ging ans Fenster. Sie waren im vierundzwanzigsten Stock, und Diane sah hinaus auf die zerklüftete Skyline Chicagos, auf die hell erleuchteten, glitzernden Gebäude, auf die Straße unter ihr, wo immer noch dichter Verkehr herrschte. Sie sah wieder Mike im Fernsehen vor sich, hörte seine Stimme, wie er Amerika aufrief, die Augen aufzuhalten. Nach Gail. Nach
ihr. Nach zwei verzweifelten Strafgefangenen. Es gab so viel

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