Gehetzt - Thriller
leise und kont rolliert. »Lass uns hören, was sie zu sagen hat.«
»Wann hast du erfahren, dass wir dort aufkreuzen würden?«
»Gestern am späten Nachmittag. Chris hat mich angerufen. Ich wusste nicht einmal, wer da sein würde. Chris hat mich nur gedrängt, unbedingt zum Abendessen zu kommen.«
»Aber du hattest im Grunde den ganzen Abend Zeit, oder? Was war das für ein Anruf? Mit wem hast du telefoniert?«
»Diane!« Gail kreischte wie ein zän kisches Weib. »Du verhörst ihn ja regelrecht.«
Tom sah auf ein mal verlegen aus und sah zu Gail hi nüber, bevor er antwortete.
»Ich habe eine Verabredung abgesagt«, erklärte er schließlich. »Ich wollte mit jemandem tanzen ge hen.« Er sah er neut zu Gail, ob es ihr etwas ausmachte, aber sie zeigte keinerlei Reaktion.
»Diane«, sagte sie, »entspann dich. Natürlich könnte es Tom gewesen sein. Aber er war es nicht. Das weiß ich. Es könnte auch Rick gewesen sein, in Chicago. Aber er war es auch nicht. Und Mel war es ganz bestimmt nicht. Niemand war es, Diane. Von meinen Leuten würde keiner so etwas tun.«
»Wie, zum Teufel, sind die Marshals dann da rauf gekommen, dort aufzukreuzen? Wer hat ihnen einen Tipp gegeben?«
»Niemand.« Gail verschränkte die Arme. »Es war genauso, wie Tom gesagt hat. Kannst du dir etwa nicht vorstellen, dass irgendein Arschloch in der Bundesvollzugsbehörde weiß, wer Chris und Michelle sind? Ihre Geschichte kennt? Natürlich wissen sie Bescheid. Aber wie du mit eigenen Augen gesehen hast, führen die inzwischen ein absolut rechtschaffenes Leben.«
»Keiner von ihnen hat auch nur die geringste Veranlassung, jemanden zu verpfeifen«, fügte Tom hinzu. »Verstehst du mich? Niemand von uns, ich wiederhole: niemand, würde jemals irgendetwas tun, das Gails Freiheit aufs Spiel setzen könnte. Sie hat genug Zeit abgesessen. Wir tun alles in
unserer Macht Stehende, damit sie frei bleibt.« Er legte einen Arm um Gail und zog sie zu sich heran. »Und für mich gilt das erst recht«, stellte er klar.
Es folg te Schweigen. Diane sank in ihren Sitz. Tom steuerte den Wagen durch die Nacht. Der Asphalt des Highways erstreckte sich vor ihnen wie eine schnurgerade, ebene Linie, der Wagen rollte in den Lichtstrahl der Scheinwerfer hinein, der sich vor ih nen herzog, als würde er von ei ner Rolle abgespult, die aufgemalten weißen Streifen zwischen den Fahrbahnen leuchteten in rhythmischen Abständen auf. Diane sah sie vorbeiflitzen, sie tauchten aus der Dunkelheit auf und verschwanden dann vorne unter dem Kotflügel des Autos.
»Ich fahre zurück bis nach Norman und stelle den Wagen dann irgendwo ab. Ohne Nummernschilder und fahruntüchtig natürlich.« Er tätschelte das Armaturenbrett. »Armes Baby. Von da nehme ich den Bus zurück nach Oklahoma City.«
»Weißt du, was sie wollten?« Diane setzte sich auf und beugte sich zu Gail vor. »Warum sie mich in jener Nacht in die Kom mando zent ra le beordert haben? Als der Typ auf mich und den Sergeant geschossen hat?«
Gail brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass Diane bei der Geschichte war, die sie bei der Zubereitung des Abendessens zu erzählen begonnen hatte. War es erst gestern Abend gewesen? Im Moment war es ihr ziem lich scheißegal, wie die Geschichte weiterging, aber es schien ihr das Beste, Diane bei Laune zu halten. »Was denn?«
»Sie wollten Kaffee«, erwiderte Diane. »Sie haben mich zum 7-Eleven geschickt, damit ich ihnen Kaffee hole.«
»Wer hat auf dich geschossen?«, fragte Tom mit sanfter Stimme und legte einen Arm über die Rückenlehne seines Sitzes.
»Irgendein betrunkenes Arschloch«, erwiderte Diane. »Hat
die Tür meines Streifenwagens mit Acht-Komma-drei-Millimeter-Schrotkugeln durchsiebt.«
»Warum?«
»Weil er voll war, nehme ich an. Und mal auf die Polizei ballern wollte. Hattest du nicht auch schon mal Lust, Bullen abzuknallen?«
Gail missfiel Dianes Ton. Und die Art, wie sie ›Bullen‹ aussprach. Als ob sie auf Ärger aus war und einen weiteren Streit vom Zaun brechen wollte.
»Nein«, erwiderte Tom. »Was auch immer für Meinungsverschiedenheiten ich mit ih nen hatte, ich wollte noch nie einen Bullen abknallen. Und auch sonst niemanden, mit dem ich im Clinch lag.«
»Ihr hättet es sehen müssen«, redete Diane weiter und lachte jetzt.
Mannomann, dachte Gail, was für ein abrupter Stimmungsumschwung.
»Wie ich da langgerannt bin«, fuhr Diane fort, »wie ich von einem spindeldürren Scheißbaum zum nächsten geflitzt bin, in der einen
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