Gehetzt - Thriller
elf, als sie die Uhrzeit registrierte. Sie musste sich beeilen, zum Präsidium zu kommen, um sich pünkt lich zum Schichtende abmelden und ihren Streifenwagen dem Glückpilz übergeben zu können, der Nachtschicht hatte.
Diane hängte die Autoschlüssel an die Stecktafel mit den Schlüsseln des gesamten Fuhrparks und stürmte Richtung Umkleide. Auf dem Weg lief sie geradewegs in Renfro hinein.
»Hoppla«, sagte er und nahm ihren Arm. »Wohin so eilig?«
»Nach Hause«, erwiderte sie barsch.
Er beugte sich näher an sie heran und sprach kaum lauter als im Flüsterton, wobei er sie immer noch festhielt. Sie löste sich aus seinem Griff.
»Alles in Ordnung mit dir?«
»Ja«, erwiderte sie. »Ich bin nur müde und muss nach Hause.«
»Ich rufe dich an.«
»Bitte nicht«, sagte sie. »Ich brauche ein bisschen Schlaf.«
Er trat zurück und zuckte mit den Achseln. »Na gut. Wie du meinst. Dann ruf du mich an.« Er ging an ihr vorbei in die Männerumkleide, ohne sich noch einmal umzusehen.
Ihre Beine fühlten sich schwer an, als sie in ihre Zivilklamotten stieg. Es stimmte. Sie war müde. Sie fühlte sich ausgelaugt von dem Tatort und dem Verbrechen selbst und war sauer auf sich, weil sie sich Renfro heute Nachmittag so leichtfertig hingegeben hatte. Um ein Haar wäre sie schon wieder außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs erwischt worden. Sie durfte während der Dienstzeit einfach nicht herumvögeln, basta. Schließlich bedeutete ihr ihre Arbeit mehr als das, auch wenn sie in letzter Zeit häufiger daran gedacht hatte, den Dienst zu quittieren. Sie musste Leute kennenlernen, die keine Polizisten waren. Ausbrechen aus ihrer kleinen Welt. Haha! Als ob das je geschehen würde. Bestimmt nicht, solange
sie Polizistin war. Und sosehr sie auch bezweifelte, je die große Karriere zu machen, so hatte sie, wenn sie auf etwas stieß wie heute Abend, doch das Gefühl, wenn auch nicht gebraucht zu werden, so doch zumindest nützlich sein zu können. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als den Mörder von Juanita Churchpin zu finden und ihm Handschellen anzulegen. Das wäre großartig. Absolut spitze.
Diane ging durch die hell erleuchteten Flure des Präsidiums und wünschte allen Kollegen, die ihr begegneten, eine angenehme Nacht. Dann trat sie hinaus in die Hitze und überquerte den Parkplatz, auf dem ihr Wagen stand: ein dunkelgrüner Jeep Wrang ler, der strah lend neu aussah, weil Diane ihn gut pflegte. Sie startete den Motor, preschte vom Parkplatz und schaltete den CD-Player ein. Sie überlegte kurz, ob sie zum Chase fahren sollte, entschied sich aber dagegen. Heute hatte sie sich schon einmal tief in die Scheiße geritten. Efird und seine Kumpels konnte sie an ei nem anderen Abend treffen, wenn sie nicht so fertig war. Heute würde sie nach Hause fahren. Sie musste sich ausruhen.
Während die Musik in voller Lautstärke aus den Lautsprechern dröhnte, konnte sie nur eins denken: zur Hölle mit Gib Lowe. Zur Hölle mit ihm und dem Arschloch, das ihn deckte. Vielleicht konnte der hohe She riff ihr of fiziell den Fall wegnehmen, aber niemand hatte ihr vorzuschreiben, was sie in ihrer dienstfreien Zeit tat.
KAPITEL 4
Am Morgen öffnete Gail die Augen, und die kur ze Illusion, frei zu sein, verflog schlagartig, als ihr bewusst wurde, wo sie sich befand. Sie war sofort hellwach.
Aber heute.
Heute.
Die Gänge waren endlos. Dunkelgrüne Linoleumböden, die in den frühen Morgenstunden mit einer Bohnermaschine spiegelblank poliert worden waren. Die Wände waren weiß gestrichen und dann wieder weiß übergestrichen und im Jahr darauf erneut weiß übergestrichen worden, weiß auf weiß auf weiß. Weiß, unterbrochen von Türen, grauen Metalltüren mit robusten Schlössern und auswechselbaren Namensschildern. Fallmanager. Psychiatrische Betreuer. Lagerräume. Konferenzzimmer. Personalaufenthaltsraum. Tür an Tür, und Gail folgte dem Aufseher und versuchte, das Klirren der Schlüssel zu ignorieren, die gegen den blauen Polyester seiner Uniformhose schlugen. Rassel, rassel, rassel, schwere Messingschlüssel, rassel, rassel, rassel. Die Aufseher hatten einen ganz speziellen Gang, der sagte: Achtung, ich habe hier das Sagen, leg dich bloß nicht mit mir an. Gail folg te ihm, zusehends fröstelnd, je näher sie dem Konferenzzimmer kamen. Sie zitterte schon, dabei waren sie noch nicht einmal da. Gail hätte einen Pullover mitnehmen sollen, aber sie wollte ihnen zeigen, wie unterwürfig sie war. Sie trug nichts, das nicht der
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