Gehetzt - Thriller
Neonlicht des Flures und zog die Tür hinter sich zu. Die Maus hatte die Flucht ergriffen und war verschwunden. Gail wandte sich wieder der Bohnermaschine zu. Hin und her. Ihr Herz raste immer noch, sie arbeitete blindlings drauflos, der Boden glänzte grün, blitzte geradezu übernatürlich, und von irgendwo hörte sie Gilda Radner und Dan Aykroyd streiten. Es ist Bodenwachs. Nein. Es ist eine Nachtischgarnierung. Bodenwachs! Nachtischgarnierung! Saturday Night Live! Sie und ihre Freundinnen, Oberstufenschülerinnen der Dorris-Canne-Mädchenschule zur Vorbereitung auf das College, die wandernde Party, die jedes Wochenende in einem anderen Haus stattgefunden hatte, je nachdem, wessen Eltern gerade zu einer Veranstaltung oder zum Essen in die Stadt gefahren waren. Ein bisschen Gras rauchen, etwas zum Knabbern, Ziegenkäse war gerade sehr angesagt, und die Talking Heads hören oder Patti Smith, über Saturday Night Fever lachen, und war der Roman Frauen von Marilyn French nicht noch schlimmer als deprimierend? Hin und wieder gab es auch ein bisschen Kokain, damit die Party besser in Schwung kam. Gail schob die Bohnermaschine hin und her und hin und her. Und jetzt hatten diese Drecksäcke ihr einen Cop geschickt. Einen verdammten Cop! In mein Zuhause. In meine Zelle.
Warum? Es machte keinen Sinn. Warum steckten sie ihr einen Bullen in die Zelle? Es konnte nicht allein aus dem Grund passiert sein, den Johnson ihr genannt hatte, nämlich dass sie die einzige freie Pritsche im ganzen Knast gehabt hatte. Es mochte ja tatsächlich so gewesen sein, abgesehen von der
freien Pritsche in der Zelle des Wiesels. Aber es musste noch etwas anderes dahinterstecken.
Als Gail in die Zelle zurückkam, lag Di ane auf ih rem Bett, das Gesicht ins Kissen gedrückt, und schluchzte. Das passierte jedem früher oder später. Alle Neuankömmlinge begannen nach ein paar Monaten zu realisieren - manche auch schon nach ein paar Wochen -, dass ihre Anwälte doch nicht in die Trickkiste grif fen und sie raus holten - sofortige Entlassung! Und wenn ihnen das ungeheure Ausmaß dessen bewusst wurde, was es bedeutete, im Gefängnis zu hocken und seine Zeit abzusitzen, drehten sie durch. Manche wollten sich umbringen. Einige wurden hysterisch. Die meisten weinten, wie Diane. Einige ein paar Stunden, andere ein paar Tage, einige, bis sie auf die psychiatrische Station verlegt wurden.
Gail bewegte sich vorsichtig, als ob sie fürchte, irgendetwas kaputt zu machen, wenn sie einen falschen Schritt tat. Sie ging zum Waschbecken und machte sich zum Schlafen fertig. Gail konnte es nicht fassen, dass da in ihrer Zelle eine Polizistin auf der Pritsche lag und flennte wie ein Teenager, der gerade seinen Freund mit einem anderen Mädchen erwischt hat. In dem kleinen Spiegel, der an einem Draht über dem blank polierten Edelstahlbecken hing, das in etwa so groß war wie die Waschbecken in einem Passagierflugzeug, erhaschte sie einen flüchtigen Blick auf sich selbst. Sie sah ihre Angst. Okay, okay. Entspann dich. Ganz cool bleiben. Beruhige dich. Sie ist, was sie ist, und im Moment ist sie ein Knacki. Sie haben sie wegen Kokainbesitzes eingebuchtet, so stand es in dem Bericht. Und niemand weniger als die Bundesdrogenbehörde hat sie hochgenommen. Vielleicht war sie mal ein Bulle, aber jetzt ist sie keiner mehr. Sie wurde wegen Rauschgiftbesitzes verknackt und steht jetzt auf der anderen Seite. Vielleicht war es genauso, wie Johnson gesagt hatte. Es hatte einfach keinen anderen Platz für sie gegeben. Gail sah erneut in den Spiegel.
Na bitte. So gefiel sie sich schon besser. Dann sah sie die winzigen Linien um ihre Augen. Sie sah ihr Alter. Wie lange schon? Und wie würde sie erst aussehen, wenn sie noch zwölf weitere Jahre abgesessen hätte? Wahrscheinlich waren ihre Haare dann silbern wie die ihres Vaters, als sie ihn das letzte Mal im Besuchsraum des Gefängnisses gesehen hatte, vor so vielen Jahren. Gail fragte sich, ob ihre Augen bis dahin verhärtet sein würden. Sie fand, dass sie sie angesichts der Umstände weich und sanft behalten hatte. Gail hatte nichts Verhärtetes an sich. Sie war immer noch fähig, offen und freundlich zu sein. Sie arbeitete daran, so zu bleiben. Aber in zwölf Jahren? In zwölf Jahren würden sie ihr die meiste Zeit ihres Erwachsenenlebens geraubt haben.
Gail nahm ihre Zahnbürste aus der Blechdose, die auf dem Rand des Waschbeckens stand, und hörte, dass Diane sich beruhigt hatte, sich aufsetzte und die Decke über sich zog.
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