Gehetzt - Thriller
Riegel.
Sie schlenderten mit ihren Decken und ihren Plastikflaschen voll Wasser nach draußen. Zu trinken hatten sie jeder eine Viertelliterflasche Poland Springs, die Gail am vergangenen Donnerstag, ihrem üblichen Einkaufstag, im Gefängnisladen gekauft hatte. Sie trugen Gefängnis-Chic: kurze Drillichhosen, weiße T-Shirts und darüber offen gelassene, kurzärmlige Button-Down-Blusen. Dazu mit Stahlkappen versehene schwarze Arbeitsstiefel. Gail trug ihr lo cker sitzendes T-Shirt über der Hose. Unter dem T-Shirt hatte sie ein zusammengerolltes Stück Seil, das sie in der Garage des Gefängnisdirektors entdeckt und in ihre Zelle geschmuggelt hatte.
Außerdem hatte sie ihren Softball-Fanghandschuh dabei, der nach all den Jahren des Spielens ziemlich abgenutzt war. Und, eingewickelt in ihre Decke, das beinahe L-förmige Stück des Rasenmäherschneideblatts. Sie hatte es geschafft, etwas Abklebeband zur Seite zu schaffen, als sie vor einiger Zeit Malerarbeiten zu erledigen gehabt hatte, und mit Hil fe des Klebebandes einen Griff an der Klinge angebracht, indem sie das längere Teil des Schneideblatts mit ei nem Streifen eines alten T-Shirts und dem Klebeband umwickelt hatte. Wenn sie damit erwischt werden würde, würde sie mit Sicherheit wegen Waffenbesitzes verknackt.
Diane stand neben Gail und nahm den großen Gefängnishof in Augenschein, der auf zwei Seiten von dem Gefängnisgebäude begrenzt wurde, einem dreistöckigen roten Ziegelsteinbau. Da hochzukommen schied von vornherein aus. Die anderen beiden Seiten waren von Metallgitterzaun und Nato-Draht begrenzt. Der Draht sah heimtückisch aus, als ob er einem die Augen zerschneiden würde, wenn man ihn zu lange ansah. Angrenzend an den grausigen Draht stand eine herrliche Eiche, der einzige Baum innerhalb des Zauns, der es irgendwie geschafft hatte, inmitten der verdorrten Ödnis des Gefängnishofs zu gedeihen. Die Eiche stand ganz in der Nähe der Stelle, an der der Metallgitterzaun und die Ecke des Gebäudes aufeinandertrafen. Der Baum war im Laufe der Jahre immer wieder beschnitten worden, sodass der unterste Ast sich gut viereinhalb Meter über dem Boden befand. Diane, die den Gefängnishof zum ersten Mal mit abschätzenden Augen taxierte, war überrascht, wie groß der Platz war und wie hoch der Zaun. Hinter dem Zaun erstreckten sich Wiesen, die sich bis zu einem dichten Wald hinzogen, der einen Hügel bedeckte. Wie es aussah, wurde es sehr schnell sehr steil.
Gail beobachtete Diane, während sie den Hof und die Situation abcheckte. Das Mädel hatte eine coole Art an sich,
die sagte: Nur zu, leg dich mit mir an, aber auf eigenes Risiko. Gail bewunderte diese Haltung. Sie fragte sich, ob sie in Dianes Alter auch so gewesen war.
Das Wiesel hatte bereits einen Tisch in Beschlag genommen, einen verblichenen braunen Picknicktisch fast in der Mitte des Hofes, und mischte Karten. Gail führte Diane zu dem Tisch und machte die beiden miteinander bekannt. Lisa und Hillary kamen erst später dazu.
»Lass uns den Tisch ein bisschen versetzen«, sagte Gail. Das Wiesel warf ihr ei nen scharfen Blick zu, stand aber auf und fasste an einem Ende des Tisches an.
Die Frauen hoben den Tisch an, und Gail ging voran, drei Meter nach links, und sorgte dafür, dass sie den Tisch genau über einen Gullydeckel stellten, der sich merkwürdigerweise fast exakt in der Mitte des Hofs befand. Gail hatte im Laufe der Jahre diskrete Recherchen angestellt und herausgefunden, dass der Deckel sich über den äußeren Reglern des Wasserversorgungssystems für das Gefängnis befand. Eines sonnigen Nachmittags war es ihr gelungen, mit ihrer eingeschmuggelten Stablampe kurz durch das ziemlich große Loch zum Öffnen des Gullys zu linsen und einen Blick auf die dicken rostigen Rohre und die Zufuhrschieber zu erhaschen. Da unten war es ziemlich eng.
Sie spielten Karten, bis zwei stiernackige Aufseher, die als Nick und Nack bekannt waren, große Kartons auf den Hof trugen, in denen sich zur allgemeinen Überraschung keine Hotdogs und Hamburger befanden, sondern Steaks. Die Nachricht verbreitete sich rasend schnell, sodass Gail von ihrem Platz am Tisch förmlich sehen konnte, wie die Worte über den Hof schwappten. Es gab nicht nur Steak, es gab auch Maiskolben. Und Kartoffelsalat. Die Aufseher, die wegen des Feiertages nur in Minimalbesetzung angetreten waren, freuten sich genauso über das un erwartete Festmahl wie
die Häftlinge. Johnson stürzte sich auf seinen Job und warf eine Melodie
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