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Gehetzt

Titel: Gehetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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über den Turmrand und betrachtete Meyer. Sein Gesicht lag unter der Panzerkappe im Schatten, so daß Meyer seine Miene nicht deuten konnte.
    »Weil wir noch nicht genügend Infanterieeinheiten nachgezogen haben, um die eroberten Gebiete auch zu besetzen.« Meyer holte tief Luft. »Es ist doch sinnlos, wie der Berlin-Expreß quer durch das Land zu rasen, wenn man es nicht durch Besatzungstruppen halten kann.«
    Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, als ihm klar wurde, daß er zu weit gegangen war. Doch wollte er jetzt auch nicht mehr zurückstecken und war gewillt, seinen Standpunkt mit allen Mitteln zu verteidigen. Liefen die Dinge schief, sollte der übereilte Panzervorstoß fatal enden, wäre diese Unterhaltung für das Kriegsgericht ein wichtiges Indiz und äußerst aufschlußreich.
    Der General antwortete nicht sogleich, sondern wandte den Kopf und hob eine Hand ans Ohr, als lausche er angespannt auf etwas, das sich jenseits des normalen menschlichen Hörvermögens abspielte. Storch besaß tatsächlich ein ausgesprochen scharfes Gehör, was er seiner völligen Enthaltsamkeit zuschrieb. Jetzt hob er den Kopf und zeigte Meyer gegen das Sonnenlicht sein markantes Profil – die vorspringende Hakennase, die dünnen Lippen seines breiten Mundes und ein kühn vorspringendes, energisches Kinn.
    »Das sind Bombenexplosionen«, murmelte der General.
    »Unsere Stukas bepflastern die nächste Stadt. Also, Meyer, Sie meinen, wir sollten hier anhalten?«
    »Oder uns zurückziehen in weniger offenes…«
    »Oberst Meyer, darf ich Sie daran erinnern…«
    Storch unterbrach sich und lauschte noch einen Moment.
    »…daß hier immer noch ich die Befehle erteile? Diese Panzerdivision steht unter meinem Kommando, und ich wiederum bin nur dem Korpskommandeur, General Guderian* , verantwortlich, der seine Anweisungen von General von Rundstedt erhält.«
    Meyer schwante Schlimmes. Was kam jetzt? Wollte Storch ihn zum Gefechtsstab zurückschicken? Ihm dämmerte langsam das Ausmaß seines taktischen Fehlers, und er erstarrte. Denn Storch konnte seine Bemerkung leicht als Feigheit vor dem Feind auslegen. Meyer zuckte innerlich zusammen, als der General jetzt in gleichbleibend sanftem Ton fortfuhr:
    »Ich darf Sie an General Guderians ausdrückliche Anweisung erinnern, die Panzer von der Kette zu lassen. Auf gut deutsch bedeutet dies, möglichst rasch möglichst weit vorzustoßen – und das so lange, wie der Sprit reicht.«
    Zum erstenmal schaute der General zu seinem Adjutanten herunter. Dabei streifte er den Kopfhörer über, lauschte kurz und nahm ihn wieder ab. Seine Stimme wurde schneidend.
    »Es wird Sie vielleicht interessieren, daß der Aufklärer den Feind vor uns lokalisiert und identifiziert hat. Es sind zwei französische Bauernwagen. Ein solcher Gegner dürfte uns wohl kaum Kummer machen, Oberst Meyer.«
    Seine Gestalt straffte sich.
    * General Guderian, der General de Gaulles Abhandlung »Die Armee der Zukunft« sorgfältig gelesen und analysiert hatte, war verantwortlich für Aufbau und Einsatz der Panzerdivisionen. Er führte später ein Panzerheer bis südlich vor Moskau.
    »Los, Meyer, klettern Sie in Ihren Panzer. Wir stoßen weiter vor, in Richtung Amiens.«Barnes spürte, daß etwas nicht in Ordnung war. Das war kein normales Erwachen, und so widerstand er der Versuchung, sofort die Augen zu öffnen.
    Statt dessen lauschte er. In seinem Kopf drehte sich alles. Er erinnerte sich dumpf, daß er geträumt hatte. Es war ein unangenehmer Traum gewesen, ein Traum vom Krieg, der bei der allmählichen Rückkehr seines Bewußtseins nur langsam wich. Barnes wurde normalerweise schnell wach, doch jetzt kämpfte er gegen den Traum, diesen Alptraum an, kämpfte sich mühsam zurück in die Wirklichkeit.
    Wo zum Teufel, war er?
    Um ihn herum war es ruhig. Barnes lag flach auf dem Rücken und blickte zu einer Balkendecke empor. Plötzlich durchzuckte ihn die Erinnerung. Die Blenheims, die lange Rauchfahne, der Munitionszug, die Explosion, der Schlag gegen die rechte Schulter, dann Dunkelheit und Vergessen. Er tastete mit der Hand über die Wolldecke zu seiner Schulter, berührte einen großen, klebrigen Verband. Stimmt, sie hatten ihn erwischt. Doch wo war er? Und wo waren Penn und Reynolds?
    Er wollte sich aufsetzen, fiel aber sogleich kraftlos zurück.
    Vor seinen Augen wallten schwarze Nebel, sein Kopf schmerzte fürchterlich, er fühlte sich schlapp und ausgelaugt, war kaum fähig, klar zu denken. Unter dem Verband klopfte die

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