Geliebte der Ewigkeit (German Edition)
sie hier auch angekettet hatte, verstand etwas von seinem Handwerk. Ihre Fesseln saßen eng, schnürten ihr in der einen Position die knappe Luft ab, um in der anderen tief in ihre Haut zu schneiden. Und um alles perfekt zu machen, zuckte mit jedem ihrer nutzlosen Befreiungsversuche eine Ladung knisternder Elektrizität durch ihren Körper. Jedes Mal begleitet von einem Geräusch, das sie an das Kreischen eines lebendigen Wesens erinnerte, aber nachweislich nicht von ihr kam. Der Strom, den man auf ihre Ketten gab, war nicht stark genug, um sie zu töten, aber es reichte aus, um sie zu disziplinieren wie ein Stück Vieh, das an einem Ausbruch gehindert werden soll. Resigniert sank sie auf das kalte Metall zurück, atmete zunächst flach, dann tief ein und aus. Das Pfeifen war unüberhörbar und ihre Rippen knirschten. Das verräterische Reiben gebrochener Knochen.
Jetzt nicht durchdrehen
. Der Gedanke wollte ihrem panisch hämmernden Herzen Mut zusprechen. Bis jetzt stand die fatale Diagnose nicht fest. Bis jetzt waren da lediglich ein pfeifendes Atemgeräusch, ein abnorm beschleunigter Herzschlag und Atemnot …
Verdammt, wem wollte sie etwas vormachen?
Ein schmerzhafter Hustenreiz brachte letzte Gewissheit. Sie erlebte das nicht zum ersten Mal, ihre Lunge war verletzt. Der Schock lähmte sie. Doch obwohl sie völlig still dalag, bewegten sich ihre Rippen. Sie hoben sich und richteten sich aus, als wollten sie sich wieder verbinden. Das war unmöglich. Es war Irrsinn. Dennoch wurde sie soeben Zeugin, wie ihr Brustkorb verheilte. Wie Rippen miteinander verschmolzen. Wie ihr Brustbein sich wieder in seine alte Position hob.
Das Atmen fiel ihr zunehmend leichter und ihr Herzschlag beruhigte sich. Die Dunkelheit zog sich zurück. Eigentlich hatte sie niemals existiert, ihre zugeschwollenen Augenlider gaukelten ihr das nur vor. Die massiven Schwellungen beschränkten sich nicht auf den Bereich um ihre Augen. Jemand hatte sich nicht nur an ihrem Körper, sondern auch an ihrem Gesicht mit Schlägen, vielleicht Tritten, ausgetobt. Doch was derjenige auch erreichen wollte, es war nicht von Dauer. Die filigranen Gesichtsknochen fanden zusammen. Aus einem leisen Knirschen und leichten Reiben wurde eine spürbare Bewegung. Die Trümmer ihres Stirn- und Keilbeins fügten sich zusammen, ihre Jochbeine hoben sich, ihr Nasenbein richtete sich aus und die Ränder der Augenhöhlen wölbten sich in ihre alte Position. Wie ein lebendiges Wesen kroch die Heilung weiter und schloss auf ihrem Weg Kratzer, Schnitte und eine klaffende Bisswunde an Morrighans rechtem Arm. Wo eben noch das blutige Weiß des Oberarmknochens vor ihren Augen war, spannte sich bald glatte, unversehrte Haut. Ein Schluchzen stahl sich über ihre Lippen, die sie jetzt wieder schmerzfrei zu bewegen vermochte. Die Heilung wanderte weiter. Ihr Körper musste übersät von Wunden sein. Verletzungen, die sie in ihrer Summe unmöglich hätte überleben dürfen. Wäre sie ein Mensch …
Aber das war sie nicht, nicht mehr und war es vielleicht nie gewesen. Zum ersten Mal begleitete nicht die Spur eines Unbehagens diese Vorstellung. Morrighan lächelte trotz der Lage, in der sie sich befand. Sie war jemand anderes und doch immer noch sie selbst. Sie war nicht die Sceathrach.
„Thú agach ar bith neart aris mé“, wiederholte sie die Worte, die ihr schon einmal Kraft gegeben hatten.
Wenn ich keine Macht über dich habe, war es wohl dein eigener Wunsch, Quinn zu töten?
Eben noch hatte ihr Unterbewusstsein sie in seliges Vergessen gehüllt, nun brachte das boshafte Flüstern die Erinnerung zurück. Es kam einem körperlichen Schlag gleich und der Schmerz sammelte sich in ihrem Bauch.
Sie hob den Kopf, sah an sich hinunter. Tiefe Furchen zeichneten ihre Haut und an manchen Stellen schimmerte das blutige Elfenbein der Rippen durch.
Eine hübsche Erinnerung an den erneuten Verrat deines Leathéans
.
„Sei still!“, rief sie, obwohl sie wusste, dass das Flüstern nur in ihrem Kopf existierte. „Quinn ist kein Verräter.“
Nicht wie Teàrlach
. Sie schüttelte den Gedanken ab, der ihr eigener war und auch wieder nicht. Verdammt, sie kannte niemanden dieses Namens.
Er hat versucht, dich zu töten
.
„Ich war es.“ Ihr Schreien wurde zu einem Schluchzen. „Ich habe versucht, ihn zu töten.“
Er hat dich im Stich gelassen
.
„Er wird zurückkommen.“
„Er wird sicher nicht zurückkommen.“
Diese Worte hatten sich nicht in ihrem Geist geformt. Es waren
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