Geliebte zweier Welten: Roman (German Edition)
wusste sie nicht. Und dennoch, sie erinnerte sich an sie. Sie erinnerte sich daran, wie sehr sie ihre Mutter Jade und ihren Vater Thor geliebt und bewundert hatte. Sie spürte die Liebe, zu der sie sich bekannten, eine Liebe, die jetzt in ihrem Blut und ihrem Herzen war. Die Freude darüber zu wissen, dass sie einst eine wirklich geliebte und beschützte Tochter war, erfüllte ihre wunde Seele. Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und weinte.
Sie musste sich Erleichterung verschaffen. Zu viele Gefühlsregungen in zu kurzer Zeit. Sie beruhigte sich, obwohl sie nicht wusste, was von nun an mit ihr passieren würde. Wenn sie davon ausging, dass nichts mehr so war wie zuvor, dann würde sie sich anpassen müssen, und sie war sich sicher, dass ihr auch das gelingen würde. Sie war schon immer praktisch veranlagt.
Sie musste einen Sinn in all dem finden, was passiert war, die Kontrolle über ihr Leben wiedererlangen, worin auch immer sie bestand.
Sie rieb sich die Augen mit der verbundenen Hand und stellte überrascht fest, dass sie nicht mehr wehtat. Sie richtete ihren Blick auf ihr Handgelenk. Es schien nicht mehr geschwollen zu sein, dabei hatte sie es erst am Abend zuvor gebrochen. Verwundert öffnete sie den Verband und entfernte ihn schließlich gänzlich.
Das schien ihr unmöglich. Ihr Handgelenk war vollständig geheilt, als hätte sie es sich niemals gebrochen.
Sie richtete sich auf. Sie war in einem ganz aus Holz ausgestatten Raum. Durch das Fenster drang das Morgenlicht herein, und sie hatte einen schönen Blick auf Bäume und Berge. Die Sonne schien nicht, aber zum ersten Mal gefiel ihr dieser bewölkte Tagesanbruch.
Sie fühlte sich wie neugeboren, hatte richtiggehend Kohldampf und wollte duschen. Sie tastete alles neben sich ab. Und das Buch? Und der Dolch?
Mit einem Satz war sie aufgestanden und blieb bewegungslos stehen. Sie sah zu ihren Füßen, ihren Beinen hinab … Um Himmels willen, man hatte sie erneut ausgezogen. Was für eine fixe Idee war das von allen, sie ständig auszuziehen …
Sie warf einen Blick auf ihren flachen Bauch und ihre Brüste und berührte ihr Gesicht. Etwas hatte sich verändert. Was nur?
Sie suchte in diesem warmen Zimmer nach einem Spiegel. Und während sie sich auf der Suche danach um die eigene Achse drehte, öffnete man die Tür.
Zwei große, athletisch gebaute junge Männer mit kurzem Haar im Stil der Soldaten und tief gebräunter Haut traten ein. Einer der beiden hatte schwarzes, der andere so blondes Haar, dass es nahezu weiß aussah. An ihn konnte sie sich ein wenig erinnern.
Der Mann mit fast weißem Haar hatte einen Ohrring aus Holz, der wie ein Pfahl durch das Ohrläppchen gesteckt wurde.
Der andere trug so etwas in der Augenbraue. Er hatte unglaublich große Augen und volle Lippen. Beide waren ziemlich gut aussehend.
Sie kamen auf sie zu, der eine stellte sich vor, der andere hinter sie.
»Bei Odin …«, sagte der Dunkelhaarige. »Dich könnte man mit Sahne bestreichen, Süße.«
Eileen zog die Augenbrauen hoch und sah sie mit einem schiefen Lächeln an.
»Und du kommst ganz bestimmt noch nicht einmal an einen Dreikönigskuchen, wenn du glaubst, so anbändeln zu können«, antwortete sie ihm. »Gebt mir sofort meine Hose zurück.« Sie war zwar nervös, hatte aber keine Angst. Sie fühlte sich gut. Ihre Gesichtszüge waren entspannt, ihr Tonfall dagegen hart und anspruchsvoll. Seit wann konnte sie so kalt und von oben herab klingen?
»Mmm …« Der Weißhaarige ergriff eine Strähne von Eileens pechschwarzem Haar und roch daran. »Wer war der Reißzahn, der dich bestiegen hat, Süße? Wir bringen ihn um.« Er fuhr mit seiner Nasenspitze an ihrem Hals entlang.
»Reißzahn? Woher weißt du, dass …?« Sie wandte sich brüsk ab. Hier war nichts mit Anfassen. Niemals mehr würde irgendjemand sie einfach so berühren können.
»Du riechst nach ihm«, sagte der Dunkelhaarige und ergriff ihr Kinn mit einer Hand. »Er hat dich gekennzeichnet.«
»Nein. Das im Gesicht war nicht er …«
»Dein Gesicht ist ganz wunderbar, Süße. Aber deine Haut, dein Geruch. Er hat seine Essenz auf dir hinterlassen«, murmelte er und sah sie erstaunt an. »Ach du meine Güte, deine Augen sind …«
Eileen betastete ihre Wange und ihre Lippe. Kein Schmerz, keine Schwellung. Sie versuchten wiederholt, sich von ihnen abzuwenden.
»Habt ihr mich aus dem Park gebracht? Was ist mit mir geschehen? Gebt mir einen Spiegel.«
»Du hast dich also noch immer nicht gesehen
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