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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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kriegen Sie ja doch Lust auf ein bißchen Rivierasonne.« Sie las die Karte: Dr. H.
    R. Kennedy, dazu die Adresse in Maida Vale und eine Telefonnummer. »Habe ich letzte Woche bei einer dieser

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    kleinen Klitschen drucken lassen. Ich wollte Patienten hierher bestellen, aber das habe ich mir dann doch anders überlegt.«
    »Aha.«
    »Ja, das wäre gegen meinen Mietvertrag gewesen, und ich mußte damit rechnen, Ärger zu kriegen, wenn meine Patienten den Parkplatz benutzten.« Er ging ans Telefon und bestellte ein Taxi. »Sie kommen gewöhnlich sofort«, sagte er. »Ich habe ein Konto bei ihnen.« Dann fügte er gedankenvoll hinzu: »Und wenn ich meine Patienten hierher bestellt hätte, hätte ich vielleicht bald darauf auch die Einwanderungsbehörde auf dem Hals gehabt.«
    »Ich hoffe, Ihre Nichte kommt bald wieder.«
    »Die wird sich schon wieder einkriegen.«
    »Kennen Sie den Mann, mit dem Sie zusammen ist?«
    Kennedy zögerte. »Ein Patient. Aus der Klinik. Er hat ihre Bekanntschaft gemacht, als sie eines Nachmittags dort auf mich wartete.«
    »Oh.«
    »Er neigt zur Gewalttätigkeit. Deshalb war die Polizei gleich so hilfsbereit.«
    »Ich verstehe.«
    »Sie haben mir geholfen, Mrs. Samson. Und ich weiß es wirklich zu schätzen, daß Sie mir Gesellschaft geleistet haben.«
    Das Telefon klingelte, um anzukündigen, daß das Taxi schon vor der Haustür stand. Er half ihr in den Mantel, wobei er darauf achtete, ihr langes Haar nicht unter dem Kragen einzuklemmen. »Ich würde Ihnen gern behilflich sein«, sagte er. Er nahm förmlich von ihr Abschied und ergriff dabei ihre Hand.
    »Ich brauche keine Hilfe.«
    »Sie gehen auf Bahnhöfe, um Ihr Unglück zu verbergen.
    Finden Sie nicht, daß eine Ehe, wo die Frau Angst hat, in Gegenwart ihres Mannes traurig zu sein, was zu wünschen übrigläßt?« Fiona fand seine offensichtliche Einfachheit und

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    Ehrlichkeit entwaffnend. Sie hielt nicht viel von Psychiatrie und mißtraute im allgemeinen den Psychiatern, aber diesen amüsanten und ungewöhnlichen Mann fand sie anziehend. Er fühlte sich seinerseits zweifellos zu ihr hingezogen, aber er hatte nicht versucht, ihr mit plumpen Schmeicheleien zu kommen. Und es gefiel ihr, daß Kennedy ihr seine Ängste vor der Einwanderungsbehörde so offen eingestanden hatte, zumal er damit doch ziemliches Vertrauen in sie setzte. Sie fühlte sich danach fast als seine Komplizin bei seinen illegalen Aktivitäten. »Ist das die Sorte Dilemma, das Ihnen Patientinnen wie ich gewöhnlich vortragen?«
    »Glauben Sie mir, ich habe keine Patientinnen, die Ihnen in irgendeiner Hinsicht gleichen, Mrs. Samson, und habe solche noch nie gehabt.«
    Sanft entzog sie ihm ihre Hand und ging durch die Tür. Er folgte ihr nicht, aber als sie in die Höhe blickte, ehe sie ins Taxi stieg, sah sie sein Gesicht am Fenster.
    Sie sah auf die Uhr. Es war spät. Um diese Zeit versuchte Bernard meistens anzurufen.
    »Hallo, Schätzchen.« Zu ihrer Überraschung fand sie daheim Bernard, das Kindermädchen und die beiden Kinder um den kleinen Küchentisch versammelt. Die Szene prägte sich ihrem Gedächtnis für alle Zeiten ein. Alle miteinander lachten sie und redeten und aßen. Auf dem Tisch herrschte die Unordnung, die sie im Haushalt von Bernards Mutter gesehen hatte: Tee in Tassen ohne Untertassen, die Teekanne auf einen angeschlagenen Teller gestellt, Fertiggerichte aus der Tiefkühltruhe in ihrer Metallfolie einfach auf das Tischtuch gesetzt, ebenso wie der Zucker in seiner Tüte und ein Stück Kuchen auf dem Einwickelpapier. Das Lachen verstummte bei ihrem Eintritt. »Wir haben uns schon gewundert, wo du bleibst«, sagte Bernard. Er trug Kordhosen und einen alten blauen Rollkragenpullover, den sie schon zweimal weggeworfen hatte.

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    »Mr. Samson hat den Kindern erlaubt, hier unten zu essen«, sagte das Kindermädchen ängstlich.
    »Schon recht, Nanny«, sagte Fiona und gab den Kindern Küsse. Sie waren frisch gebadet und rochen nach Talkumpuder. »Du hast ‘ne ganz kalte Nase«, sagte Billy anklagend, und dann kicherte er. Er sah Bernard so ähnlich.
    »Du bist unhöflich«, sagte seine kleine Schwester. Weil sie anders die Tischplatte nicht erreicht hätte, hatte man ihr ein mit blauer Seide bezogenes Kissen vom Wohnzimmersofa untergelegt. Fiona bemerkte, daß es nun mit Tomatensoße bekleckert war, ließ sich das aber nicht anmerken, als sie nun lächelnd ihre Tochter küßte und umarmte. Sie liebte die kleine Sally ganz besonders.

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