Gequält
Auswahl, die es dort gab?
Hätte er es sich aussuchen können, wäre er nach Amsterdam weitergefahren, aber er befürchtete, dass die Dänin dort Leute kannte. In Brüssel sah es schon anders aus. Graue, übergewichtige Anzugtypen mit fragwürdigen Neigungen. Er fuhr in die Stadt und durch sie hindurch. Was er vom Machtzentrum der EU zu Gesicht bekam, war hässlich und ohne Leben. Die Leute, die gezwungen waren, ihr Leben in dieser Welt zu verbringen, konnten einem leidtun. Kein Monatslohn der Welt war diesen hohen Preis wert.
Vollkommen erschöpft nahm er sich ein Zimmer außerhalb der Stadt. Die einzige Frau in der Bar betrank sich dort offenbar regelmäßig mit Wein. Sie begleitete Conny auf sein Zimmer, aber als er seine Brieftasche zückte, begann sie zu zetern und mit den Armen zu fuchteln. Wie hätte er denn wissen sollen, dass sie kein Profi war. Da wollte er nur korrekt sein und musste sich dafür auch noch beschimpfen lassen.
Der nächste Tag war der beste. Sein Magen fühlte sich wohl, und das Bewusstsein, eine Frau gratis gefickt zu haben, befriedigte ihn. Eine Trinkerin zwar, die ihre besten Tage hinter sich hatte, aber trotzdem. Conny Bladh wusste immer noch, wo der Hammer hing.
Er stellte fest, dass er das Geld, obwohl die Belgierin keines angenommen hatte, in rasendem Tempo durchbrachte. Hotels waren nicht umsonst, und wenn er mitteilte, keinen Pass bei sich zu haben, verlangten sie eine ordentliche Kaution.
Er frühstückte auf dem Zimmer und machte dann einen Spaziergang die Landstraße entlang. Lastwagen und Personenwagen rasten an ihm vorbei. Dieser Ort mochte durchaus als der hässlichste Ort Europas gelten, aber es ging ihm so fürchterlich gut, dass er einen Augenblick lang erwog, eine weitere Nacht zu bleiben. Schließlich entschied er sich aber dagegen.
Er fuhr nach Paris und musste sich ungemein konzentrieren, um keinen Unfall zu verursachen. Die Franzosen fuhren wie die Irren, und Regeln schien es im Straßenverkehr nicht zu geben. Er parkte ein Stück vom Eiffelturm entfernt, nahm den Rucksack mit dem Geld und begab sich zu der Sehenswürdigkeit. Er hatte keine Lust, sich beim Lift anzustellen. Es genügte ihm, dort gewesen zu sein und den Turm aus der Nähe gesehen zu haben.
Es war dunkel, als er die Stadt verließ und Richtung Süden fuhr. Er nahm sich ein Zimmer in einem Motel am Stadtrand. Ihm fehlte die Kraft, sich auf lange Verhandlungen wegen des fehlenden Passes einzulassen. Er hielt es für unwahrscheinlich, dass er von der Polizei gesucht wurde. Und wenn schon. Es war besser, wenn die Polizei ihn fand als Sara. Das war im Übrigen sein Plan B. Sich der Polizei zu stellen. Er musste schließlich niemanden verpfeifen, konnte genügend eigene Sünden gestehen und den Schutz der Polizei anfordern. Aber sobald er in den Knast käme, war sein Leben in Gefahr. Sara Vallgren kannte alle.
Conny schlief gut, wurde von einem Albtraum wach, schlief aber wieder ein. Am nächsten Morgen aß er ein schlechtes Frühstück in einem langweiligen Speisesaal. Er trank eine zweite Tasse Kaffee und sehnte sich plötzlich nach Gesellschaft, nach irgendeiner Form von Interaktion. Er leerte seine Kaffeetasse und begab sich in die Rezeption.
»Computer, Internet?«, fragte er.
Der Mann hinter dem Tresen deutete auf einen Computer in der Ecke der Lobby.
»Thank you.«
Conny schenkte dem Portier ein Lächeln und setzte sich an den Computer. Er googelte denkbare Reiseziele und surfte dann durch die schwedische Klatschpresse. Etliche Artikel handelten von Fernsehsendungen, die so ähnlich waren, dass man sie kaum auseinanderhalten konnte. Er klickte sich durch eine Fotogalerie halb nackter Promis im Urlaub und überflog neue Forschungserkenntnisse über Krebsursachen. Zu spät, dachte Conny, als sein Blick an einer kleinen Notiz hängen blieb: »Frau erdrosselt in ihrer Wohnung aufgefunden«. Er wusste nicht recht, warum er die Schlagzeile anklickte, eigentlich interessierte ihn so etwas überhaupt nicht.
Das Foto zeigte das Mietshaus, in dem Mona wohnte. Er erkannte es sofort. Sogar das im Weg stehende schwarze Fahrrad vor der Haustüre war auf dem Bild zu sehen.
Eine 32-jährige Frau wurde gestern in ihrer Wohnung in Bjuv bei Helsingborg erdrosselt aufgefunden …
Conny stockte der Atem. Er überflog die Zeilen.
Die Frau ist polizeilich unbescholten, nicht jedoch ihr verschwundener Lebensgefährte, mit dem sich die Polizei vergeblich in Verbindung zu setzen versucht.
Er füllte die Lunge
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