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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Dworkin
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natürlich, daß die Öffentlichkeit keinerlei Kontrolle über den Richter hat, wenn er erst einmal ernannt ist, aber das gilt auch im Fall ihrer gewählten Repräsentanten, und obwohl natürlich die Möglichkeit besteht, diese abzuwählen, haben einige von ihnen bis zum Tag der Wiederwahl eine sehr viel größere Macht als ein einzelner Richter in seiner gesamten Laufbahn. Ein Präsident kann, wie Shakespeare es formulierte, Mord rufen und des Krieges Hund entfesseln. Er mag darin richtig- oder falschliegen, fest steht jedenfalls, daß
672 er damit über eine unvergleichlich große Macht verfügt. Obwohl George W. Bush historisch einer der unbeliebtesten Präsidenten war, hat er das politische Programm, das ihn derart unbeliebt gemacht hat, unnachgiebig weiterverfolgt. Wenn man von einer majoritären Auffassung ausgeht, könnte man zu dem Eindruck kommen, daß Politiker stets bestrebt sind, dem Willen der Mehrheit entsprechend zu handeln. Die Geschichte lehrt uns allerdings, daß dem nicht so ist.
    Vergleichen wir damit nun die Macht von Verfassungsrichtern, sich über den Willen des Volkes hinwegzusetzen. Anders als Präsidenten, Premierminister und Gouverneure haben Verfassungsrichter keinerlei Macht zu unabhängigem Handeln. Sie tagen in Kollegien mit mehreren anderen Richtern, und die Entscheidungen des Richterkollegiums können normalerweise durch den gesamten Gerichtshof überprüft werden, der viele Mitglieder haben kann. Im Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten treten bei allen Entscheidungen alle Richter (sofern sie sich nicht aus Gesundheitsgründen oder wegen eines Interessenkonflikts entschuldigen müssen) zusammen. Daher ist die Macht jedes einzelnen Richters dadurch begrenzt, eine Mehrheit der anderen Richter von seiner Sichtweise überzeugen zu müssen.
    Es stimmt natürlich, daß eine Phalanx gleichgesonnener Richter in der Lage ist, eigentlich beliebte Gesetze für ungültig zu erklären, in populäre politische Maßnahmen einzugreifen und an den Institutionen und Verfahren des Wahlsystems einschneidende Änderungen vorzunehmen, und dabei können ihnen gravierende Fehler unterlaufen. Der Oberste Gerichtshof hat mit seinen Urteilen aus den 1930er Jahren, die einen Großteil von Franklin Roosevelts New Deal für verfassungswidrig erklärten, enormen Schaden angerichtet. Und dasselbe gilt auch für die Urteile aus den ersten Jahren der Amtszeit von John Roberts als Oberster Richter, die politische Maßnahmen gegen ethnische Spannungen und rassistische Diskriminierung für verfassungswidrig erklärten.
17 Durch seine Entscheidung
673 in der Präsidentschaftswahl 2000 und das kürzlich mit fünf zu vier Stimmen gefällte Urteil, das Unternehmen unbegrenzte Ausgaben für negative Fernsehwerbung gegen einzelne Politiker erlaubt, die nicht in ihrem Interesse handeln, hat das Gericht die Demokratie selbst beschädigt.
18 Trotzdem können Präsidenten, Premierminister und einflußreiche Parlamentarier, die wichtigen Ausschüssen vorsitzen, alleine mehr Schaden anrichten als alle Richter zusammen. Dem damaligen US -amerikanischen Präsidenten Herbert Hoover kommt eine größere Verantwortung für jene ökonomische Katastrophe zu als dem Obersten Gerichtshof, der Roosevelts Gegenmaßnahmen blockierte, und selbst die schlimmsten Entscheidungen des Gerichts aus den letzten Jahren bleiben in ihren Folgen hinter den Entscheidungen des amtierenden Präsidenten zurück. Einige Kritiker sind der Meinung, daß der lange Jahre als Notenbankchef amtierende Alan Greenspan durch die Vernachlässigung seiner Aufsichtspflicht in erheblichem Maße für die globale Finanzkrise 2008 verantwortlich war. Wenn das stimmt, hat er in wenigen Jahren mehr Leben ruiniert, als es einem einzelnen Richter selbst in einer jahrzehntelangen Amtszeit möglich wäre. Wenn wir eine Art Unabhängigkeitsindex erstellen und dabei nicht nur berücksichtigen würden, daß Verfassungsrichter nicht gewählt werden, sondern auch alle anderen relevanten Faktoren und Dimensionen von Macht und Verantwortung in Rechnung stellten, würde die judicial review wohl kaum als alles in allem größere Gefahr für die politische Gleichheit abschneiden als verschiedene andere Elemente des repräsentativen Regierungssystems.
    Das ist hier aber nicht unsere Hauptfrage. Uns geht es nämlich um die zweite der beiden oben genannten Bedingungen. Trägt die Institution der judicial review insgesamt zur Legitimität einer Regierung bei? Eine repräsentative

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