Gerettet von deiner Liebe
Erleichterung ließ Lady Audley ihn für den Rest des Dinners in Frieden. Lustlos stocherte James auf seinem Teller herum und fühlte sich besudelt.
Als das Geschirr schließlich abgeräumt war und nur noch Weingläser auf der Tafel standen, erhob Lord Batchley sich und brachte die üblichen Trinksprüche auf König und Vaterland aus.
Erlöst schloss James sich dem allgemeinen Toast an, da das Ende dieses grässlichen Abends in Sicht war. Als alle wieder Platz genommen hatten, ließ der Gastgeber die Gläser wieder füllen und erhob sich ein zweites Mal.
„Meine Damen und Herren“, begann er. „Ich erhebe mein Glas auf Beau Crusoe! Als Offizier der Royal Navy hat James Trevenen Berühmtheit erlangt, aber gestern rettete er meinen über alles geliebten Kater Vixen aus schwindelnder Höhe und vollbrachte weitere Heldentaten, mit denen er seinen Mut und seine Entschlossenheit unter Beweis stellte. Außerdem ist er ein Wissenschaftler von hohem Rang, von dem die Welt noch hören wird.“ Lord Batchley hob sein Glas. „Auf Beau Crusoe, dem nächste Woche die berühmte Copley-Medaille verliehen wird!“
„Hört! Hört!“
James wäre am liebsten Hals über Kopf geflohen. Aber er nickte lächelnd in die Runde. Und dann richtete sich sein Blick über die Tafel in eine dunkle Ecke des Raums, wo der Schiffszimmermann an der Wand lehnte, den halb abgenagten Menschenarm hoch über seinem Kopf schwang und Blut auf die weiße Damastdecke spritzte.
Entsetzt kniff James die Augen zusammen und erwartete, dass die Gäste schreiend aufsprangen. Aber nichts geschah. Er öffnete die Augen, starrte auf die Blutstropfen auf dem Tuch, die sonst niemand zu sehen schien. Alle Gesichter waren ihm zugewandt, man jubelte ihm zu und klatschte in die Hände. Es gelang ihm nur mit Mühe, den Blick von dem Menschenfresser loszureißen und sich in die Runde lächelnd zu bedanken.
21. KAPITEL
Er hasste Brandy. Er rauchte nicht. Und Tim Rowe stand höhnisch feixend in der Ecke, nachdem die Damen sich in den Salon begeben hatten. Dennoch beteiligte James sich an den Gesprächen der Herren, antwortete auf neugierige Fragen, war geistreich und charmant und dachte nur an Flucht.
Später in Lord Batchleys Salon suchte er Susannahs Nähe, doch der alte Herr führte sie zum Spieltisch, rückte ihr einen Stuhl zurecht, wünschte ihr Glück und gute Karten, bevor er James beim Arm nahm.
„Beau, Sie haben gewiss den Wunsch, Vixen zusehen. Er wird Ihnen zeigen, dass er Ihnen für seine Rettung dankbar ist und Ihnen nichts nachträgt.“
„Nein“, entgegnete James und vergaß vor Schreck jede Höflichkeit. Auf den gekränkten Blick seines Gastgebers lenkte er verlegen ein: „Ich meine, ich möchte Vixen nicht beunruhigen.“
Aber Lord Batchley kannte keine Gnade. „Ich bestehe darauf, junger Mann.“
In diesem Augenblick näherte sich Lady Audley und hakte sich bei James unter.
„Lord Batchley, ich kann nicht zulassen, dass Sie Beau völlig in Beschlag nehmen und dabei Ihre Gäste vernachlässigen“, sagte sie mit honigsüßer Stimme. „Ich bringe ihn zu Vixen, und Sie kümmern sich um Ihre Gäste, einverstanden?“
James war wie betäubt, als Lord Batchley mit einer leichten Verneigung das Feld räumte.
„Seien Sie nicht kindisch, James. In ein paar Minuten sind wir wieder da.“ Lady Audley festigte ihren Griff. Er nickte widerstrebend.
Was würden die Gäste denken, wenn er sich von der aufdringlichen Person losreißen und aus dem Zimmer stürmen würde? Nicht auszudenken, wie sehr er damit Susannah schaden würde. Schließlich hatte er die Einladung nur angenommen, um ihren guten Ruf wiederherzustellen.
Lady Audley, die sich offenbar in Lord Batchleys Haus gut auskannte, führte ihn zur Treppe.
James blieb stehen. „Ich gehe keinen Schritt weiter mit Ihnen“, flüsterte er wütend.
„Wie argwöhnisch Sie sind“, sagte sie verwundert. „Ich erweise Lord Batchley einen Gefallen, und Sie denken schlecht von mir.“
James schüttelte den Kopf. „Sie haben sich beim Dinner abscheulich genug benommen.“
„Ich?“, fragte sie in gekränkter Verwunderung und begann, die Treppe hinaufzusteigen. „Kommen Sie?“
„Nein.“
Sie zog ihre nackten Schultern hoch und stieg die Stufen wieder hinab. „Nun gut, James, wie Sie wünschen.“ Sie stand dicht vor ihm. „Soll ich Sie als Mörder entlarven? Soll ich den Gästen erzählen, was damals auf dem Boot geschehen ist?“
Ihre leisen Worte dröhnten ihm in den Ohren. Damals
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