Gesandter des Teufels
Kräuter-, Blumen-und Obstgärten wurden von hohen Spalieren voneinander getrennt, an denen sich Weinreben und Kletterpflanzen hochrankten, und wenn man durch sie hindurchwandelte, hatte man zuweilen das Gefühl, sich in einem Labyrinth zu befinden. Neville verlor immer wieder die Orientierung, doch es machte ihm nichts aus, denn es war ein herrlich warmer Herbsttag, und der Sonnenschein und die Aussicht, Margaret in irgendeiner stillen Ecke des Gartens zu finden, erfüllten ihn mit großer Freude.
Er wollte beinahe wieder vor sich hin pfeifen, beschloss dann jedoch, das Singen der Vögel in den Bäumen und Büschen und die Stille des Gartens nicht zu stören.
Die Wege bestanden aus kurz geschnittenem Rasen statt des üblichen Kieses, und Nevilles Schritte waren vollkommen lautlos.
Er kam zu einer Gartenlaube, die mit Rosen überwachsen war, und schaute hinein, in der Gewissheit, dass er Margaret darin finden würde.
Er erinnerte sich, wie er sie einst im Garten des dominikanischen Klosters in Lincoln in einer ähnlichen Laube gefunden hatte, und er lächelte erwartungsvoll.
Doch sein Lächeln erstarb sogleich wieder, denn abgesehen von Rosen und ein paar bunten Schmetterlingen war in der Laube nichts zu sehen.
Und wenn schon! Es gab noch andere Lauben im Garten, und Neville war sich sicher, dass er Margaret irgendwo hier finden würde. Wo sollte sie an einem so schönen Tag sonst sein?
Er ging einen anderen Weg entlang und warf einen Blick in einen kleinen, gepflasterten Hof, der von Lavendel eingefasst wurde.
Doch auch dort war Margaret nicht.
Nevilles Enttäuschung wuchs, und er runzelte die Stirn. Wo war sie nur?
Da vernahm er aus der Ferne kaum hörbar ihr Lachen.
Neville lächelte erleichtert. Jetzt hatte er sie!
Leise schlich er einen schmalen, von Backsteinen gesäumten Pfad entlang, der an einer Laube endete, die über und über mit spätblühenden Weinreben überwuchert war.
Er hörte erneut Margarets liebliches und fröhliches Lachen, und er fragte sich, worüber sie wohl lachen mochte. Oder ... über wen?
Eine düstere Ahnung stieg in Neville auf, und er hielt sich seitlich des Pfads, um sich der Laube im Schutz der Büsche nähern zu können.
Er hörte Margarets Stimme - sie sprach mit jemandem.
Aber mit wem? Mary und Agnes waren im Palast, und Rosalind lag im Bett und schlief.
Da hörte er eine tiefe männliche Stimme, und Neville erkannte sie sofort.
Verstohlen schlich er auf die Laube zu und schob vorsichtig die Blätter der Weinreben auseinander.
Der Anblick, der sich ihm bot, ließ seine gesamte Welt zusammenbrechen.
Margaret befand sich im Inneren der Laube, mit Bolingbroke an ihrer Seite. Sie saßen nahe beieinander - zu nahe, denn Bolingbrokes Leib schmiegte sich eng an Margarets.
Er hatte eine Hand auf ihren Bauch gelegt, um die Umrisse des Kindes zu ertasten, wozu Nevilles Meinung nach nur er als Margarets Gemahl das Recht besaß.
Bolingbroke sagte etwas, das Neville nicht hören konnte, und Margaret lächelte.
Und dann beugte sich Bolingbroke vor und küsste sie.
Neville musterte die beiden ungläubig. Er konnte nur daran denken, dass das Kind in Kenilworth empfangen worden war - und dort hatte Bolingbroke genauso viel Gelegenheit gehabt, es zu zeugen, wie er selbst!
Ihm fiel wieder ein, dass sich Bolingbrokes Blick stets zuerst auf Margaret richtete und dann erst auf Mary, dass die Küsse, mit denen er sie bedachte, immer ein wenig zu leidenschaftlich waren und er sich stets zuallererst um Margaret sorgte ...
... und Neville verlor jede Selbstbeherrschung.
Er brach durch die Reben in die Laube und sah, wie Bolingbroke und Margaret mit erschrockenem Blick voneinander abrückten.
Er packte den Dolch an seinem Gürtel und zog ihn aus der Scheide, während er wütend herumschrie.
Er hörte, wie Margaret verzweifelt seinen Namen rief, doch er achtete nicht auf sie. Er wollte nur noch den Mann töten, den er für seinen besten Freund gehalten hatte und der ihm die ganze Zeit über Hörner aufgesetzt und ihm eine Lüge nach der anderen aufgetischt hatte, während er sich insgeheim ins Fäustchen gelacht hatte.
Bolingbroke war über Nevilles Auftauchen so überrascht, dass er einen Augenblick zu spät reagierte. Neville stürzte sich auf ihn, warf ihn zu Boden und hob den Dolch, um ihn damit zu erstechen.
Margaret rief etwas, doch Neville hörte nicht hin.
Er holte weit aus, um möglichst viel Kraft in den Hieb zu legen, doch als er zustechen wollte, musste er
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