Geschöpfe Der Ewigkeit
befreien versucht hast.«
Ich denke einen Moment lang darüber nach.
Ein langer Moment, in dem ich auch meine eigene Situation Revue passieren lassen.
»Herzog«, sage ich dann, »fahrt zur Hölle!«
Er lacht, hebt seinen Fuß und stellt ihn auf mein Gesicht.
Dunkelheit überkommt mich. Es ist eine trostlosere Dunkelheit, als ich sie je zuvor erlebt habe.
13.
KAPITEL
Als ich wieder zu mir komme, habe ich das Gefühl, selbst gekreuzigt worden zu sein. Meine Arme und mein Oberkörper schmerzen, und ich kann kaum atmen.
Als ich die Augen öffne, entdecke ich, daß ich mich in einem verliesartigen Raum befinde. Meine Arme sind über meinem Kopf an der steinernen, beständig tropfenden Wand angekettet – mit Schlössern, die mich an jene erinnern, die ich an dem Metallkäfig gesehen habe.
Das Metall besteht aus einer besonderen Legierung, die ich nicht zu durchbrechen in der Lage bin – zumindest nicht jetzt, in meinem geschwächten Zustand. Verständlicherweise versuche ich trotzdem, mich zu befreien, aber es gelingt mir nicht, und schließlich gebe ich erschöpft auf.
Natürlich kann ich noch immer im Dunkeln sehen, und ich entdecke, daß ich von oben bis unten mit Blut besudelt bin. Aber ich erkenne, daß es nicht mein eigenes Blut ist, sondern das des Mädchens, in dessen Opferung ich hineingeplatzt bin. Das Messer steckt nicht mehr in meinem Rücken, und die Wunde ist geheilt. Allerdings tröstet mich das wenig. Kreuzigung führt zu einem Tod durch langsames Ersticken, und meine Arme und Beine befinden sich in einer Position, die nur als Kreuzigung bezeichnet werden kann.
Auch meine Beine sind an die Wand gekettet, wobei sich meine Füße ein kleines Stück über dem Boden befinden, so daß die metallenen Schellen besonderen Druck auf meine Schienbeine ausüben. Immer noch befinden sich Reste von Landulfs verschiedenen Giften in meinem Blutkreislauf. Ich frage mich, ob er mir Blut abgenommen hat, während ich bewußtlos war.
Aber eigentlich glaube ich nicht daran.
Wie lange ich schon hier hänge, weiß ich nicht. Aber plötzlich wird der Schmerz so unerträglich, daß ich zu weinen beginne. Ja, ich, die uralte Sita, die ein viertausend Jahre andauerndes Leben überstanden hat, ich fühle mich geschlagen. Jeder Atemzug, den ich tue, schmerzt entsetzlich, die Luft brennt sich förmlich in meine Lungen, und bei jedem Ausatmen frage ich mich, ob ich die Kraft zu einem weiteren Atemzug haben werde.
Mein Schluchzen wird zu einem leisen Schreien, schließlich zu Stöhnen, daß tief aus meiner gequälten Seele kommt – wie die Seufzer der Verdammten aus der Endlosigkeit der Hölle. Ich habe das Gefühl, mich nicht mehr auf der Erde zu befinden, sondern an einem unterirdischen Ort nie endenden Leidens. Immer wieder taucht Landulfs Gesicht vor meinem inneren Auge auf, und ich frage mich, ob es sich um eine Vision von Satan höchstselbst handelt.
Doch während meines Leidens, das mich an die Grenze zur Bewußtlosigkeit treibt, geschieht etwas Bemerkenswertes. Meine Seele beginnt sich zu klären, und ich erinnere mich an Alanda und Suzama, an Seymour und das Kind. Ich sehe die Sterne und wie sie hoch über der Erde schweben, und ich sehe, wie ich geschworen habe, alles zu tun, um unsere Welt zu beschützen. Ich bin fünftausend Jahre alt, nicht viertausend. Ich komme aus der Zukunft, und ich bin in die Vergangenheit zurückgekehrt, um Landulf zu besiegen. Und ich werde ihn besiegen, das sage ich mir jetzt immer wieder. Er wird zu mir kommen, ich erinnere mich, daß er das schon einmal gemacht hat. Ich brauche nur ein wenig länger zu warten.
Plötzlich erinnere ich mich auch an andere Dinge.
Den Speer des Longinus.
Ich erinnere mich daran, ihn aus dem zwanzigsten Jahrhundert zu kennen.
In Wien, der österreichischen Hauptstadt, sah ich im Jahre 1927 Richard Wagners Oper Parsival, welche die Abenteuer der Artusritter auf der Suche nach dem Heiligen Gral in einer mythologischen Umgebung darstellt.
Geschichtsforscher der damaligen Zeit beanstandeten, daß es keine historische Basis für die in der Oper dargestellten Ereignisse gebe. Trotzdem habe ich Richard Wagners Meisterwerk als sehr bewegend empfunden – die kraftvolle Musik, die tragische Handlung, in der die Ritter gegen den bösen Klingsor kämpften, der sie mit allen Mitteln an ihrem Streben zu hindern versuchte.
Besonders beeindruckt hat mich, wie Wagner den Speer des Longinus, den ich aus meiner eigenen Vergangenheit kannte, in die Handlung
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