Geschöpfe Der Ewigkeit
das Ende, das zählt, das Ziel, nicht der Weg, den wir gehen.«
»Landulf!« schreie ich entsetzt auf.
Aber er ignoriert mich. Dann höre ich Dante weinen und nach mir rufen, als sei ich seine Mutter. Aber ich kann ihn nicht retten, denn obwohl ich rechtzeitig gekommen bin, um die Vergangenheit zu ändern, vermag ich nichts zu tun –
nichts, um Landulf davon abzuhalten, den glühenden Stumpen brutal in Dantes entzündete Wunden zu pressen. Zuerst beschäftigt er sich mit Dantes verstümmelter Hand, dann mit Dantes Bein, das noch viel schlimmer aussieht.
Dante schreit so laut und qualvoll, daß ich das Gefühl habe, mein Schädel müsse zerspringen. Sein entsetzliches Leiden zerreißt mir schier das Herz. Als Landulf mit der Fackel zur nächsten Wunde übergehen will, höre ich mich selbst laut aufschreien.
»Bitte!« rufe ich. »Bitte, hört auf.«
Landulf hält inne und lächelt mich an. »Du bittest mich darum?«
Ich nicke schwach. »Ich bitte Euch, mein Herzog.«
Landulf erhebt sich. »Gut. Damit hast du den ersten Schritt getan. Der zweite wird später kommen – und schließlich der dritte und letzte.« Er weist auf Dante, der noch immer am Boden liegt und unter Schock zu stehen scheint, und wendet sich dann an die Ritter. »Legt diesen Haufen Abfall in Ketten. Laßt die beiden einander hier unten Gesellschaft leisten, so daß sie sich über die erlösende Kraft der Liebe und Gnade unterhalten können.« Bevor er das Verlies verläßt, wendet er sich noch einmal mir zu. »Wir sehen uns bald wieder, Sita.«
14.
KAPITEL
Die Zeit vergeht, und mit jeder Minute, die verrinnt, sterbe ich ein bißchen mehr. Ich habe nicht geglaubt, daß es etwas Grausameres gibt, als allein im Dunkeln gekreuzigt zu sein, aber ich habe mich geirrt. Dante ist kaum noch bei Bewußtsein, trotzdem stöhnt er qualvoll. Eine Weile bete ich darum, daß er nicht mehr erwacht, sondern einfach stirbt und sein Leiden so ein Ende hat.
Aber dann erreicht auch mich der Fluch aller Leidenden.
Ein schwacher Hoffnungsschimmer taucht auf.
Ich muß Dante wecken, ihn zurück in den Alptraum holen.
Nachdem ich eine Zeitlang leise seinen Namen gerufen habe, bewegt er sich schließlich, hebt den Kopf und sieht sich um. Es ist dunkel, folglich kann er nichts sehen. Aber ich erkenne den verzweifelten Ausdruck auf seinem Gesicht, und es zerreißt mir schier das Herz. Er hängt an der Wand direkt neben mir.
»Sita?« flüstert er.
»Ich bin hier«, antworte ich sanft. »Hab keine Angst.«
Es fällt ihm schwer, zu atmen. Landulfs Knechte haben ihn genauso wie mich gefesselt, seine Arme sind mit schweren Ketten an der Wand befestigt. Doch seine Füße liegen nicht in Ketten, so daß er mit ihnen den Boden berührt. Ich weiß, daß es trotzdem nicht mehr lange dauern wird, bis er erstickt. Ein Husten-anfall schüttelt ihn, als er versucht, zu mir zu sprechen.
»Es tut mir leid, meine Dame«, sagt er. »Ich habe Eurem Wunsch nicht Folge geleistet.«
»Es gibt nichts, dessen du dich schämen müßtest. Du bist ein Held, ein wahrer Held. Selbst wenn die Situation hoffnungslos erscheint, gibst du nicht auf.
Perseus selbst, so glaube ich, würde dich um deine Tapferkeit beneiden.«
Er versucht zu lächeln. »Sollte das wahr sein?«
»Gewiß doch. Und möglicherweise kannst du uns beide retten.«
Das weckt seine Lebensgeister noch ein wenig mehr. »Wie, meine Dame?«
»Du mußt deine Beinschiene freischütteln und sie zu mir schieben.«
»Herrin?«
»Ich brauche dein kleines kupfernes Kruzifix, zu dem du jeden Abend vor dem Schlafengehen betest.«
Er wirkt verwirrt.
»Was wollt Ihr damit tun?«
»Es tut mir leid, Dante, aber ich werde es zerstören müssen. Aber ich glaube, daß ich daraus ein kleines Werkzeug formen kann, mit dessen Hilfe ich diese Schlösser hier aufbrechen werde.«
»Aber meine Dame, Eure Hände sind in Ketten.«
»Ich werde meine Zehen benutzen, um es zu formen. Mach dir keine Sorgen darüber, wie mir das gelingen soll, schieb einfach deine Stütze zu mir. Kannst du sie ohne Probleme lösen?«
»Aber ja, meine Dame.« Ich sehe, wie er sich in der Dunkelheit bemüht.
»Befindet Ihr Euch zu meiner rechten oder zu meiner linken Seite?« fragt er dann.
Ich muß wider Willen lächeln. »Ich bin links von dir, etwa zwei Fuß entfernt.«
»Ich spüre, daß Ihr mir nah seid«, sagt er liebevoll, während er die Schiene endgültig losrüttelt und sie mit seinem Beinstumpf zu mir herüberschiebt. »Habt Ihr sie?«
»Nein.
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