Geschöpfe Der Ewigkeit
Meine Füße sind zusammengekettet. Du mußt ihr einen Schubs geben, aber nicht zu fest. Die Stütze muß gegen mein Bein stoßen.«
»Aber ich kann Eure Beine nicht sehen.«
»Sie sind an die Wand gekettet. Schieb die Stütze an die Wand und gib ihr einen leichten Schubs.«
»Seid Ihr sicher, daß dies eine gute Idee ist?«
»Ja.«
»Ich bin mir nicht sicher.«
»Dante?«
Unvermittelt beginnt er zu hyperventilieren. »Ich habe Angst, meine Dame.
Ohne meine Schiene bin ich ein vollständiger Krüppel.«
Ich spreche beruhigend auf ihn ein: »Ich werde deine Schiene nicht beschädigen, Dante. Nur das Kreuz, das du darin versteckt hältst. Wenn ich frei bin, wirst du die Stütze zurückerhalten, und wir beide werden so schnell wie möglich von hier fliehen.«
Er wird langsam ruhiger. »Werden wir zurück nach Messina gehen?«
»Ja. Wir werden zusammen nach Messina reisen, und dort werden wir im besten Gasthof wohnen und das beste Essen und den besten Wein bestellen. Du wirst mich begleiten, und ich werde jedem erzählen, daß du mich vor dem bösen Herzog gerettet hast.«
Dante strahlt. »Ich werde berühmt wie Perseus sein! Ich werde den Gorgonen erschlagen.«
»Genau. Aber zuerst müssen wir hier herauskommen. Schieb die Schiene jetzt zu mir.«
»Was ist, wenn ich sie zu weit schiebe?«
»Das wirst du nicht, Dante. Du bist ein Held. Helden machen keine Fehler.«
Dante gibt der Schiene mit seinem leprösen Stumpf einen vorsichtigen Stoß.
»Ist es so richtig, meine Dame?«
»Fester!«
»Ich versuche es ja, Herrin.« Er streift die Stütze mit dem Beinstumpen, und das hölzerne Bein prallt gegen meine Wade. »Habt Ihr es?«
»Ich habe es!« versichere ich ihm rasch. »Entspann dich jetzt, und sieh, daß du wieder zu Atem kommst. Du brauchst jetzt nicht mit mir zu reden. Ich muß mich darauf konzentrieren, uns aus diesem Verlies zu befreien.«
Er stöhnt. »Beeilt Euch, meine Dame. Ich habe schreckliche Schmerzen.«
»Ich weiß, mein Freund.«
Das, was ich vorhabe, ist selbst für einen Vampir kein Kinderspiel.
Zuerst muß ich das obere Teil der Schiene hinabgleiten lassen, so daß ich es mit meinen Zehen erreichen kann. Dies gelingt mir ohne große Mühe, doch Dantes Kreuz befindet sich nicht im oberen Teil der Stütze. Es ist ein ganzes Stück tiefer in dem hölzernen Beinstumpf befestigt. Nachdem ich zehn Minuten lang ergebnislos versucht habe, es mit den Zehen zu erreichen, beginne ich langsam die Hoffnung zu verlieren.
Dann schießt mir unvermittelt der Gedanke durch den Kopf, daß ich die Schiene umdrehen muß. Das ist nicht ungefährlich, denn wenn mir das kupferne Kreuz durch die Zehen gleitet und auf den Boden fällt, kann es sein, daß es außerhalb meiner Reichweite landet. Um die Sache etwas weniger unsicher zu gestalten, hebe ich die Schiene mit nur einem Fuß und halte sie mit einiger Mühe zwischen zwei Zehen fest. Dann greife ich das Ende der Stütze mit dem anderen Fuß. Sie befindet sich jetzt in einem Winkel von neunzig Grad zu meinem Schienbein, und ich schüttele sie ein wenig und spüre das Kreuz an meiner Fußsohle. Im nächsten Moment haben meine Zehen nach dem Kruzifix gegriffen, und ich lasse die Schiene zu Boden gleiten.
»Meine Dame?« ruft Dante ängstlich, als er das Geräusch hört.
»Es ist alles in Ordnung.«
»Mein Holzbein ist nicht zerbrochen?«
»Es ist alles in Ordnung. Sei still und spar dir deine Kraft. Wir werden bald frei sein.«
»Ja, meine Dame.«
Mit beiden Füßen greife ich das kupferne Kreuz. Ich werde es die ganze Zeit gut mit den Zehen festhalten, so daß es mir nicht entgleiten kann. Während ich damit beginne, das Kupfer umzuformen, bete ich darum, daß Landulf nicht in den nächsten Minuten zurückkommt. Schließlich hat er ja gesagt, daß wir uns bald wiedersehen würden. Ich habe schon viele Male gebetet, seitdem ich mich in dem Schloß befinde.
Das Kruzifix ist aus dünnem Material, kaum mehr als ein geprägtes Schild, was mir jetzt zugute kommt. Es dauert nicht lange, bis es mir gelingt, den unteren Teil des Kreuzes zu einem Draht zu formen. Gewiß, es ist ein recht dicker Draht, aber die Schlüssellöcher in den Schlössern meiner Ketten sind ebenfalls alles andere als klein. Ich nehme den Draht mit dem rechten Fuß, halte derweil das Schloß mit dem linken Fuß ruhig und führe den Draht langsam ein.
»Meine Dame?«
»Pst, Dante, hab ein wenig Geduld.«
»Meine Hände schmerzen.«
»Es wird dir bald bessergehen. Bitte halt dich
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