Gesicht im Schatten: Idylle - Stalking - Mord
hätte ich Angela zu dem Seminar begleitet. Hauptsache weg hier.
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Am Dienstagmorgen saß ich am Frühstückstisch und
überlegte, was noch im Kühlschrank fehlte, oder ob ich für Amelie neues Futter
kaufen musste. Es fiel mir unendlich schwer, mich auf die Einkaufsliste zu
konzentrieren. Meine Gedanken schweiften immer wieder von dem Papier ab. Die
Renault-Bank hatte mir zusagte, dass sie spätestens Dienstag den Fahrzeugbrief
freigeben würden. Neben Einkäufen musste ich mich heute unbedingt auch um die
Freigabe des verbrannten Autos kümmern. Wenn das doch schon erledigt wäre.
Ich
betrachtete meinen Einkaufszettel: Zahnpasta, Kosmetiktücher, Kartoffeln
Ich
strich Kartoffeln wieder durch und schrieb statt dessen Pizza drauf. An
Kochen war im Moment nicht zu denken. Schon gar nicht, wo Angela nicht da war,
die mir wirklich viel abgenommen hatte.
Ich saß
an meinem Küchentisch über meinen Einkaufszettel gebeugt. Meine Schultern
fielen dabei schwer nach vorne und der Kugelschreiber lag mir schwer wie Blei
in der Hand.
Das
Telefon klingelte, ich ging hin und nahm das Gespräch an.
„Schwarz.“
„Guten
Tag Frau Schwarz, hier ist Frau Petershagen von der Renault-Bank in Brühl. Ich
wollte Ihnen nur mitteilen, dass wir Ihre Überweisung des
Finanzierungsbeitrages erhalten haben und dass Sie den Fahrzeugbrief abholen
können.“
„Ach, das
ist gut. Ich werde gleich losfahren, das heißt, ich werde auf jeden Fall noch
am Vormittag zu Ihnen kommen. Vielen Dank.“
„Gut dann
weiß ich Bescheid. Bis später dann. Auf Wiederhören.“
„Ja, auf
Wiedersehen.“ Schon begannen meine Kräfte wieder zu schwinden, so dass mein
letzter Gruß mehr gehaucht war.
Ich saß
auf einem Stuhl neben dem Tischchen, auf dem das Telefon stand. Schon wieder
war ich völlig in mich zusammen gesunken. Wie sollte das nur weiter gehen? Ich
war nur noch eine Hülle aus Haut und Knochen, und nur mit absoluter
Minimalenergie versorgt. Ich wäre gerne auf meinen Balkon gegangen, um mal
frische Luft zu schnappen, um mich mal zu recken und zu strecken. Das hatte mir
früher oft geholfen, wenn ich mich schlapp gefühlt hatte. Aber ich wagte nicht,
mich auf dem Balkon sehen zu lassen, weil bestimmt wieder dieses Ekelpaket von
gegenüber nach mir Ausschau hielt. Allein der Gedanke verursachte heftige
Übelkeit.
Ich
fühlte einen Schmerz, einen ganz neuen Schmerz, den ich früher nicht gekannt hatte.
Ich hatte mich noch nie so allein und als Außenseiterin gefühlt. Meine Kehle
und meine Brust waren wie zugeschnürt, ein beklemmendes Gefühl, das sich wie
ein Leichentuch um mich legte.
Lange saß
ich so in meinem Elend versunken da, bis mich Amelie anstupste.
„Ja,
meine Süße, ich bringe dich gleich zu den Schröders. Komm, das machen wir am
besten gleich.“
Ich stand
auf und ging, etwas wackelig auf den Beinen, in die Diele um mich fertig zu
machen.
Zusammen
mit Amelie verließ ich das Haus. Ich brachte sie zu der Familie und fuhr dann
selber weiter zu der Renault-Bank. Von dort aus fuhr ich zu dem
Abschleppunternehmen nach Kerpen, damit endlich der Wagen zur Verschrottung
freigegeben werden konnte. Mein schönes Auto! Aber letztlich galt es nach vorne
zu schauen, es half mir nicht, noch lange um mein Auto zu trauern. Anschließend
fuhr ich wieder zu Conrad, dem VW Händler. Ich würde mich langsam entscheiden
müssen, denn der Leihwagen kostete mich jeden Tag eine ganze Stange Geld, was
ich eigentlich gar nicht mehr hatte. Bei Conrad wurden mir wieder ein paar
gebrauchte VW Modelle gezeigt, aber ich konnte mich einfach nicht entscheiden.
Als ich
Amelie von den Schröders wieder abholte, war es früher Abend und schon dunkel –
gerade die Tageszeit, die ich am meisten hasste. Wenn doch nur Angela da wäre.
Ich kam
in meine Wohnung und sah, dass eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter war. Ich
drückte die Abspieltaste und mein Herz machte einen kleinen Sprung. Als hätte
Angela gespürt, wie sehr ich sie vermisste, hatte sie mir eine Nachricht
hinterlassen. Sie sei gut in Wiesbaden angekommen und freue sich schon auf
Sonntagabend. Sie konnte mir keine genaue Zeit sagen, wann sie zu Hause sein
würde, da ihr Chef sie um ein persönliches Gespräch am Ende des Seminars gebeten
hatte. Sie scherzte noch ein wenig darüber, was dieser Schlingel wohl so
ominöses mit ihr zu besprechen habe. Am Ende versprach sie mir, dass sie sich
Sonntagabend – egal um welche Uhrzeit – auf jeden Fall bei mir melden
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