Gesichter der Nacht
Fahrerhaus auf, langte nach drinnen,
drückte einen bestimmten Hebel und machte die Tür wieder zu.
Dann drehte er sich um und eilte zu Mac zurück.
Als er sich dem Lastwagen näherte, hing der
Jamaikaner aus dem Fenster. Er war begeistert. »Mann, o
Mann«, sagte er, »das ist wirklich eine geniale
Idee.«
Marlowe wandte sich um und blickte
zurück. O'Connors Einstieg in den Kohlehandel war offenbar in
fliegender Hast geplant worden, denn der Lastwagen, den Kennedy fuhr,
war ein hydraulischer Kipper. Langsam hob sich die Ladefläche
empor. Die ersten Kohlesäcke plumpsten zu Boden. Und die
Ladefläche stieg höher, immer höher, bis der letzte Sack
Kohle auf dem Parkplatz gelandet war. In diesem Moment drang ein
Entsetzensschrei aus dem Pub, und Kennedy tauchte in der Tür auf.
Marlowe kletterte hinters Lenkrad und ließ den
Motor an. Er wendete und fuhr zurück, der Szene des Desasters
entgegen. Als sie beim Parkplatz waren, nahm er den Fuß vom Gas
und beugte sich aus dem Fenster. »Na, Kennedy? Probleme?«
fragte er.
Kennedy wirbelte herum, und aus der Verzweiflung in
seinem Gesicht wurde helle Wut. »Du Mistkerl!« schrie er.
»O'Connor wird es dir zeigen!«
Marlowe überhörte die Drohung. »Richte
O'Connor was von mir aus«, sagte er. »Einen schönen
Gruß, und er soll's nicht noch mal mit diesen Mätzchen
probieren. Denn dann mache ich ernst.« Er gab Gas und fuhr davon,
bevor Kennedy etwas erwidern konnte.
Als der Lastwagen in der Scheune ausrollte, kam Maria
aus dem Haus gerannt. Sie war ungeheuer besorgt. »Was ist
passiert?« fragte sie. »Sie haben doch hoffentlich keinen
Krawall geschlagen, Hugh? Bitte, sagen Sie, daß Sie's nicht getan
haben!«
Marlowe grinste. »Es ist alles gut
gegangen«, sagte er. »Ich habe Kennedy kein Haar
gekrümmt. Es ist ihm nur ein kleines Mißgeschick passiert.
Seine ganze Kohle ist auf die Straße geplumpst. War ein
ziemliches Durcheinander, als wir wegführen.«
Maria war sichtlich erleichtert, und sie mußte
sich das Lachen verbeißen. »Sie glauben nicht, daß
er's noch mal versucht?«
Marlowe schüttelte ernst den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht.«
Sie nickte. »Gott sei Dank. Papa
ist wieder da. Ich habe ihm noch nichts erzählt. Ich wollte nicht,
daß er sich aufregt.« Sie strahlte. »Wie dem auch sei
– es gibt was zu Mittag. Beeilen Sie sich und waschen Sie sich
die Hände, bevor das Essen kalt wird.«
Bei Tisch berichtete Mac Papa Magellan und Maria in
allen Einzelheiten von Kennedys »kleinem
Mißgeschick«. Er hatte eine natürliche Begabung zum
Erzählen und brachte die beiden immer wieder zum Lachen. Danach,
beim Kaffee, sprachen sie über die geplante Tour nach London. Mac
war Feuer und Flamme für die Idee. »Ich glaube, das ist die
einzige Möglichkeit, O'Connor eins auszuwischen«, bemerkte
er.
»Ich bin sehr froh, daß Sie das auch so
sehen«, sagte Marlowe, »denn Sie werden die Tour machen
müssen.«
Mac schaute Marlowe einen Moment lang überrascht
an. Doch dann trat an die Stelle der Überraschung eine Art
Einsicht. Maria fragte verwirrt: »Aber warum kommen Sie nicht
mit, Hugh? Wäre das mit zwei Fahrern nicht viel einfacher?«
Papa Magellan schaltete sich ein. »Hugh wird
seine Gründe haben, Maria. Wenn er nicht nach London will, ist das
seine Sache. Lassen wir's dabei.«
Maria lehnte sich stirnrunzelnd zurück, und
Marlowe wechselte rasch das Thema. »Was ist mit den
Gärtnern, Papa?« fragte er. »Was sagen sie?«
Der alte Mann zuckte die Achseln. Er blickte ernst.
»Ich hatte recht mit O'Connor. Er war bei den meisten Leuten, mit
denen ich im Geschäft bin, und hat ihnen das Angebot gemacht,
direkt bei ihnen zu kaufen – und zu wesentlich höheren
Preisen.«
»Wieviel sind darauf eingegangen?« fragte Marlowe.
Magellan zog die Schultern hoch. »Nicht so
viele, wie man vielleicht meinen möchte. Die sind nicht dumm, die
Leute. Den meisten ist völlig klar, daß er ihnen keine
solchen Phantasiepreise mehr zahlen wird, wenn er mich aus dem
Geschäft gedrückt hat. Die meisten halten zu mir, aber ich
habe ihnen eine Preisgarantie geben müssen.«
»Das heißt, du mußt sie auszahlen – egal, was passiert?« fragte Maria.
Der alte Mann nickte, und Marlowe legte die Stirn in
Falten. »Mit anderen Worten, der einzige, der dabei was riskiert,
sind Sie?«
Papa Magellan lächelte. »Die ersten Fuhren
kann ich auf jeden Fall finanzieren. Dafür habe ich
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