Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition)
geglaubt hatte, zu den Freilichtspielen kämen nur jene Akteure und Aktricen, die es nicht an eine »richtige« Bühne geschafft hatten. Wie dumm er gewesen war. Was für ein blödes Vorurteil. Biggi hatte nicht nur Talent, sie verfügte auch über eine Präsenz und eine Ausstrahlung, die man nicht vergaß. Der Intendant hatte offenbar sowohl bei der Besetzung seiner Erst- als auch seiner Zweitbesetzungen ein verdammt gutes Händchen bewiesen.
»Hm?«, sagte Biggi und schien wie aus einer anderen Welt aufzuschrecken.
»Ihr Spiel! Grandios!«, lobte Seifferheld sie von ganzem Herzen.
»Ach das … ja, ja.«
Seifferheld war ein wenig verstimmt. Er lobte nicht oft. Wenn er lobte, war das eine besondere Auszeichnung. Da war er ganz hohenlohischer Schwabe, und bei den schwäbischen Hohenlohern hieß es: Nix g’sagt isch g’lobt gnuag.
Die freundliche Servicekraft brachte zwei Riesenhumpen mit einer Flüssigkeit, die für den ungeübten Blick wie Morgenurin aussah, bei der es sich aber um feinste Bio-Apfelschorle aus lokalem Anbau handelte.
Biggi trank mit großen Schlucken.
Gleich darauf kam die Bedienung erneut und stellte eine Schale mit Wasser vor Onis ab. Herr und Hund lächelten dankbar.
Einer der Spatzen nahm in der Schale gleich mal ein Bad und ließ sich auch nicht von der ins Wasser tauchenden Hundezunge abschrecken.
»Gut, dass Sie mich eben nach der Probe angesprochen haben, ich muss nämlich mit Ihnen reden«, fing Biggi Wanetzki an. Sie sah sich um. Drüben auf der Treppe gab Roger Reitz Autogramme für ortsansässige Groupies.
Der schillernde Regisseur, Vince Miller, besprach sich unter dem Sonnenschirm am Fuß der Treppe mit seiner vergleichsweise farblosen Regieassistentin.
Dann starrte Biggi zum Rathaus.
Höchst mysteriös.
Fürchtete sie sich vor etwas? Oder jemand?
»Herr … Herr Dingsbums … blöd, jetzt habe ich Ihren Namen vergessen, sorry.« Biggi lächelte schuldbewusst.
Seifferheld war zu alt, als dass ihm das noch etwas ausgemacht hätte. Wenn ein so zauberhaftes junges Ding freiwillig etwas Zeit mit ihm verbrachte, durfte sie ihn nennen, wie sie wollte: Rübezahl, Drosselbart, egal. Na ja, nicht ganz egal. »Nennen Sie mich einfach Siegfried«, bat er.
»Also, Siegfried, es ist nämlich so …« Sie sah sich noch einmal um. Seifferheld fühlte sich an Wurster und dessen panisch-paranoide Angst vor der Polizeichefin erinnert. »Ich habe da etwas … gefunden. «
Ihr Tonfall verriet Seifferheld sofort, dass es dabei nicht mit legalen Dingen zuging.
Seifferheld hörte einfach nur zu. Die Leute erzählten einem viel mehr, wenn man sie nicht unterbrach, sondern einfach reden ließ. Der Normalmensch hielt Schweigen nämlich nicht aus.
»Denis … also, als der Denis die Salina fand, hat er geschrien wie am Spieß. Wir sind alle wach geworden. Roger ist zu ihm gelaufen und hat gleich per Handy die Polizei gerufen. Und dann kam Denis in den Flur getorkelt und …«
Biggi verstummte.
Es kostete Seifferheld beinahe übermenschliche Anstrengung, jetzt nichts zu sagen.
»Denis war völlig durch den Wind. Er stand komplett unter Schock und zitterte wie Espenlaub. Ich habe ihn in Salinas Zimmer gebracht, in den Sessel neben dem Bett gesetzt und ihn mit ihrer Decke zugedeckt. Ich dachte … nur, bis der Notarzt kommt oder so. Ich weiß nicht, was ich dachte. Jedenfalls starrte er wie blind ins Leere und war totenbleich. Ich dachte, ich kann den jetzt nicht allein lassen, der kippt mir doch gleich aus den Latschen, der stand doch so kurz vor einem Kreislaufkollaps … und da habe ich mich auf ihr Bett gesetzt …«
Seifferhelds rechter Fuß zuckte ungeduldig. Wenn sie jetzt nicht gleich auf den Punkt kam, dann …
»Jedenfalls traf ziemlich rasch die Bullerei ein und brachte Denis nach draußen zum Notarztwagen. Und ich will aufstehen und stütze mich auf dem Bett ab und merke, da ist doch was, da bin ich ganz empfindsam, wie die Prinzessin auf der Erbse, und ich klappe die Matratze hoch und finde …«
Biggi sah ihn nur an.
»WAS?«, donnerte Seifferheld.
Sie fuhr zusammen. »Ihr Tagebuch. Ich habe Salinas Tagebuch gefunden.«
Das war jetzt der Hammer.
»Kann ich noch eine Apfelschorle haben?«, fragte sie.
Seifferheld schnalzte mit den Fingern. »Noch eine Apfelschorle!«, rief er. »Sofort!« So benahm er sich sonst nicht, so prollig. Aber so kurz vor dem Fund des Heiligen Grals kannte seine Geduld nun mal Grenzen.
»Und?«, drängte er. »Haben Sie das Tagebuch der Polizei
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