Gestohlene Leidenschaft
mehr heraus.
„Ach, das war ganz einfach“, behauptete er bescheiden.
„Schwindler!“
„Okay, es war schon ziemlich mühsam. Aber ich finde, es hat sich gelohnt.“ Er zog eine Flasche aus einem silbernen Sektkühler und schenkte Weißwein ein.
Grace nahm ihm ein Glas ab und blickte sich entspannt um. Hier fühlte sie sich sicher und geborgen. „Danke, Khalis“, sagte sie leise.
Mit kaum verhohlenem Begehren schaute er sie über den Glasrand hinweg an. „Ich danke dir. Für dein Vertrauen.“
„Bis dahin hat es eine Weile gedauert.“
„So lange nun auch wieder nicht.“ Er reichte ihr einen Teller mit Hummus und Fladenbrot. „Wenn man die Auflagen deines Exmannes bedenkt, musst du ein sehr zurückgezogenes Leben führen“, sagte er dann unvermittelt.
„Ja, aber das macht mir nichts aus.“
„Bist du sicher? Mir würde das gar nicht gefallen.“
„Man gewöhnt sich daran.“ Mussten sie jetzt darüber reden? „Manchmal glaube ich allerdings, dass ich lieber mit Gemälden als mit Menschen zu tun habe.“ Sie lachte leise.
„Gemälde enttäuschen dich wenigstens nicht.“
„Ach, das will ich nicht sagen.“ Sie war froh, dass der Themenwechsel geglückt war. „Einige Bilder haben nicht das gehalten, was sie versprachen. Einmal war ich sicher, einen echten Giotto auf dem Dachboden eines alten Hauses entdeckt zu haben. Leider hat sich das Gemälde als sehr gute Fälschung entpuppt.“
„Ist es nicht interessant, dass ein Bild dem Original zum Verwechseln ähnlich sieht und doch so viel weniger wert ist? Beide sind wunderschön, doch nur eins ist wertvoll.“
„Es hängt wohl davon ab, was du mehr schätzt – den Maler oder das Gemälde.“
„Wahrheit oder Schönheit.“
Die Wahrheit. Immer wieder lief es auf die Wahrheit hinaus. Es lag Grace schwer auf der Seele, dass sie Khalis nur die halbe Wahrheit gestanden hatte. Um sich abzulenken, trank sie noch einen Schluck Wein. „Es gibt Fälschungen, die ziemlich viel wert sind.“
„Aber wesentlich weniger als das Original.“
„Ja.“ Und ich bin die wertloseste Fälschung überhaupt, dachte Grace traurig.
„Jetzt wollen wir es uns aber schmecken lassen.“ Khalis zeigte auf die vielen Köstlichkeiten, die auf dem Tisch angerichtet waren.
Froh über die Ablenkung nickte sie zustimmend. „Warst du früher schon einmal auf dieser Insel?“, erkundigte sie sich neugierig und schob sich ein Stück Fladenbrot mit Hummus in den Mund.
„Ja, mein Bruder und ich haben einmal einen Segeltörn hierher unternommen.“
„Nur einmal?“
„Wir haben nicht viel zusammen gemacht. Für Ammar war immer alles ein Wettkampf, den er unbedingt gewinnen musste. Und ich war ein schlechter Verlierer.“ Seine Miene verhärtete sich. Grace ahnte, dass es um mehr gegangen war als um bloße Rivalität zwischen Geschwistern.
„Fehlt er dir manchmal?“
Nun wurde sein Blick abweisend. „Nein, das habe ich dir doch schon erzählt.“
„Mag sein, aber ich verstehe es nicht, Khalis. Ich vermisse meine Eltern noch immer ganz schrecklich.“
„Man kann unsere Familien doch nicht miteinander vergleichen.“
„Aber deine Schwester fehlt dir schon“, hakte Grace nach.
„Ja.“ Er seufzte. „Aber es ist sinnlos, darüber zu reden. Sie ist seit vierzehn Jahren tot.“
Das klang so kalt und ausdruckslos, dass Grace aufbegehrte. „Du kannst doch deine Familie nicht einfach vergessen!“
Einen Moment versteinerte Khalis Miene. Grace musste den Blick abwenden. Dieser Mann verfügte über eiserne Selbstbeherrschung, war unnachgiebig und blickte immer nach vorn. Fehler würde er niemals vergeben.
„Ich habe sie nicht vergessen, Grace. Aber es ist doch sinnlos, ständig über die Vergangenheit nachzudenken. Sie sind tot. Ich kann das nicht ändern und habe mich damit abgefunden und lebe mein eigenes Leben.“ Er beugte sich vor und fügte in versöhnlicherem Tonfall hinzu: „Mein Vater und mein Bruder verdienen dein Mitgefühl nicht, Grace. Du hast dir nie etwas zuschulden kommen lassen, aber wenn du wüsstest, in was für Machenschaften sie verwickelt waren …“
„So unschuldig, wie du denkst, bin ich gar nicht“, warf sie leise ein.
„Entschuldige, ich habe mich schlecht ausgedrückt. Und ich möchte heute Abend nicht mehr über meine Familie reden. Es gibt sicher bessere Möglichkeiten, den Abend miteinander zu verbringen.“
„Sicher.“ Statt den Abend zu genießen, wühlten sie in der Vergangenheit herum. So hatte sie sich das nicht
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