Getrieben: Thriller (German Edition)
Blicken zu entziehen. Die Luft im Zimmer war kühl und duftete nach Zitrone. Connor schloss die Geheimtür hinter sich und drückte auf einen Knopf, um sie zusätzlich mit einer vierzig Zentimeter langen Titanstange zu sichern. Dann stieß er einen erleichterten Seufzer aus. Hier, in seinem ganz privaten Büro, konnte er endlich sicher und ungestört an die Arbeit gehen.
Er setzte sich in den Chefsessel und loggte sich in das Intelnet, Divisions sicheren Server, ein. Der erste Punkt auf der Tagesordnung war ein Mailcheck. Zufrieden stellte er fest, dass die Jungs vom Strategic Air Command (SAC) mit der Bearbeitung des Fotos, das Lord Balfour Emma gezeigt hatte, bereits fertig waren. Es war um das Zehnfache vergrößert worden, sodass Connor die Gravur auf der Stahlummantelung jetzt deutlich erkennen konnte.
»Gütiger Himmel«, murmelte er.
Peter Erskine hatte sich nicht geirrt. Das hier war keine konventionelle 500-Pfund-Bombe, oh nein, ganz und gar nicht. Im Anhang der Mail fand Connor eine Simulation, wie die Bombe ohne die Unmengen von Schnee und Eis, die sie zum größten Teil einhüllten, aussehen würde. Jeder, der auch nur einen Funken Ahnung von Militärtechnik hatte, würde sie sofort als Cruise Missile identifizieren. Laut SAC handelte es sich um eine AGM-86.
Connor hatte mehr als einen Funken Ahnung von dieser Art Waffen. Bevor er zu Division kam, war er beim Verteidigungsministerium für die Beschaffung zuständig gewesen und hatte viel mit Firmen wie General Dynamics, Raytheon und Lockheed zu tun gehabt. Er wusste so ziemlich alles über Marschflugkörper. Er wusste, dass sie fast mit Schallgeschwindigkeit eine Entfernung von mehr als sechzehnhundert Kilometern zurücklegen konnten. Er wusste auch, dass man sie von Schiffen und Flugzeugen aus starten und in beiden Fällen mit einer Trefferquote von 98 Prozent ein Zielobjekt von der Größe eines VW Beetle erwischen konnte. Außerdem wusste er, dass sie mit einem konventionellen oder einem nuklearen Sprengkopf mit einem Sprengsatz von bis zu hundertfünfzig Kilotonnen ausgestattet werden konnten, also der zehnfachen Größe jener verheerenden Bombe, die auf Hiroshima gefallen war.
Hundertfünfzig Kilotonnen.
Stocksteif richtete Connor sich auf. Das Atmen fiel ihm schwer. Er spürte einen heftigen Schmerz in der Brust und verkrampfte sich. Verzweifelt riss er den Mund auf und versuchte, sich mit ein paar tiefen Atemzügen zu beruhigen, doch ihm war, als hätte sich eine eiserne Faust um seine Lunge gelegt. Sein ganzer Körper war wie gelähmt.
So plötzlich, wie der Anfall gekommen war, ließ er auch wieder nach. Der Schmerz ebbte ab, und Connor konnte wieder atmen. Er holte tief Luft und spürte, wie er die Kontrolle über seinen Körper zurückgewann. Er warf einen Blick auf die Uhr. Ganze fünfzehn Sekunden hatte die Attacke gedauert.
Wahrscheinlich der Stress, dachte Connor und gönnte sich auf den Schreck einen vier Finger breiten Mr. Justerini and Brooks. Kein Wunder, wenn man soeben kurz einen Blick auf Armageddon bekommen hat.
Hundertfünfzig Kilotonnen.
Connor hob das Glas und prostete einer Welt zu, die dem Untergang geweiht war.
Es war ein offenes Geheimnis, dass die Air Force in der Vergangenheit schon einige Male Atombomben »verloren« hatte, doch soweit Connor informiert war, hatten sie alle ohne Aufsehen wiedergefunden. Connor wusste auch, dass die Air Force 1968 aus Sicherheitsgründen die Flüge mit Atomwaffen eingestellt hatte. Die Cruise Missile auf dem Foto war erst nach 1970 gebaut worden. Es sprach also alles dafür, dass die Bombe, die Balfour gefunden hatte und mit Emmas Hilfe bergen wollte, keine Atombombe war.
Aber wie war logisch zu erklären, dass so eine Waffe, ganz gleich, ob nuklear oder konventionell, dort oben in den Bergen Pakistans oder Indiens gelandet war?
In seiner dreißigjährigen Dienstzeit für die Regierung hatte Connor jedenfalls eines gelernt: Menschen lügen wie gedruckt, und nichts ist unmöglich. Das waren die einzigen Grundwahrheiten, auf die er sich in seinem Beruf verlassen konnte. Connors Aufstieg zum Direktor von Division hing in erster Linie damit zusammen, dass er es wie kein anderer verstand, diese Grundwahrheiten rücksichtslos zu seinem Vorteil zu nutzen.
Der Gedanke brachte ihn zurück in die Gegenwart.
Irgendwo dort draußen gab es eine gefährliche Bombe, vielleicht sogar eine Atombombe , und die musste er um jeden Preis in die Finger bekommen.
Connor warf einen Blick auf seine
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