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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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aufragenden Schwanz und sechs Fenster an jeder Seite. Als der Jet schließlich zum Stehen kam und die Motoren abgestellt wurden, legte sich eine überraschend tiefe Stille über das verlassene Flugfeld.
    Die Tür öffnete sich, die Stufen wurden heruntergeklappt, und zwei Sicherheitsbeamte der Special Branch stiegen aus. Einer ging schnurstracks auf das Flughafengebäude zu. Der andere blieb unten vor den Stufen stehen und machte die üblichen Kopfbewegungen, um das leere Flugfeld zu überprüfen: Er schaute nach oben, nach links und rechts, hinter sich. Lang selbst schien es nicht eilig zu haben. Im diffusen Licht im Flugzeuginneren konnte ich verschwommen sehen, wie er dem Piloten und einem Steward die Hand schüttelte. Dann trat er – fast zögernd, wie mir schien – in die Tür und blieb oben an den Stufen kurz stehen. Er trug seine Aktentasche selbst, was er als Premierminister nie getan hatte. Der Wind fuhr unter den Rücken seines Jacketts und zupfte an seiner Krawatte. Er strich sich das Haar glatt. Dann schaute er sich um, als versuchte er sich daran zu erinnern, weshalb er eigentlich hier war. Die Szene war drauf und dran, ins Peinliche umzukippen, als er uns plötzlich hinter der großen Glasscheibe entdeckte und begriff, dass wir ihn beobachteten. Er zeigte auf uns, winkte und grinste, genau wie er es in seinen besten Zeiten getan hatte, aber sofort war dieser besondere Augenblick – was auch immer gerade in ihm vorgegangen sein mochte – wieder vorüber. Gefolgt von einem dritten Sicherheitsbeamten und einer jungen Frau, die einen Rollkoffer hinter sich herzog, schritt er forsch über das Flugfeld, wobei er die Aktentasche von einer Hand in die andere wechselte.
    Wir wandten uns vom Fenster ab und kamen gerade rechtzeitig, um ihn am Ankunftsschalter zu begrüßen.
    »Hallo, Liebling«, sagte er, beugte sich vor und gab Ruth einen Kuss. Seine Haut hatte eine leicht orangenfarbene Tönung. Ich bemerkte, dass er Make-up trug.
    Sie streichelte ihm über den Arm. »Wie war New York?«
    »Fabelhaft. Sie haben mir die Gulfstream Four gegeben ... die für die Transatlantikflüge, mit Betten und Dusche. Hallo, Amelia. Hallo, Jeff.« Er sah mich. »Hallo«, sagte er. »Und wer sind Sie?«
    »Ich bin Ihr Ghost«, antwortete ich.
    In der Sekunde, als ich es sagte, bereute ich es schon. Der Satz war als geistreich und ironisch selbstkritisch gedacht gewesen, als etwas, was das Eis brechen sollte. Ich hatte ihn sogar vor meiner Abreise in London geübt. Aber irgendwie traf ich damit hier draußen, auf diesem verlassenen Flugplatz, in dieser grauen und stillen Gegend, genau den falschen Ton. Lang zuckte zusammen.
    »Ach ja, richtig«, sagte er unsicher. Er schüttelte mir zwar die Hand, zog aber gleichzeitig den Kopf etwas zurück, so als wollte er mich aus einer sichereren Entfernung begutachten.
    Gott, dachte ich, er hält mich für geistesgestört.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Ruth zu ihm. »Er benimmt sich nicht immer wie ein Trottel.«

FÜNF
    »Für den Ghostwriter ist es von entscheidender Bedeutung, dass der Kunde sich in seiner Gesellschaft rundum wohlfühlt.«
    »GHOSTWRITER«
     
     
    »Brillanter Einstieg«, sagte Amelia auf der Rückfahrt »Lernt man so was auf der Ghostwriter-Schule?«
    Wir saßen nebeneinander auf dem Rücksitz des Minivans. Vor uns saßen die Sekretärin, die gerade aus New York eingeflogen war – sie hieß Lucy –, und die drei Personenschützer. Durch die Windschutzscheibe konnte ich den direkt vor uns fahrenden Jaguar mit den Langs sehen. Es wurde langsam dunkel. In den Lichtkegeln der zwei Scheinwerferpaare ragten die verkrüppelten Straucheichen bedrohlich auf.
    »Das war besonders taktvoll«, fuhr sie fort, »weil Sie den Job eines Toten übernehmen.«
    »Schon gut«, stöhnte ich. »Es reicht.«
    »Aber eins muss man Ihnen lassen«, sagte sie, schaute mich mit ihren großen blauen Augen an und sprach dann so leise weiter, dass nur ich sie hören konnte. »Sie können sich als fast einziges Exemplar der menschlichen Rasse rühmen, dem Ruth Lang zu vertrauen scheint. Woran mag das liegen, was meinen Sie?«
    »Über Geschmack lässt sich nicht streiten.«
    »Wie wahr. Vielleicht glaubt sie, dass Sie nach ihrer Pfeife tanzen.«
    »Vielleicht. Was weiß ich?« Mich in einen Zickenkrieg hineinziehen zu lassen war das Letzte, was ich brauchen konnte. »Hören Sie, Amelia ... Ich darf Sie doch Amelia nennen? Ich bin nur hier, um ein Buch zu schreiben, ich habe keine Lust, mich

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