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Gifthauch

Gifthauch

Titel: Gifthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Terry
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hatte, öffnete Derek die Tür auf die gleiche Weise. Wieder geschah nichts Unerwartetes. Als die Tür halb offen stand, hielt er inne. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und reckte den Hals. Er ließ den Lichtstrahl durch den Raum wandern, schüttelte den Kopf, griff hinein und schaltete die Deckenlampe ein.
    In diesem Raum musste die Schlange Werkstatt und Büro unterhalten haben. Auf einer langen Arbeitsbank häuften sich Werkzeuge, Drähte und mechanische und elektronische Bauteile. Auf einem anderen Tisch stand ein Computersystem. Beide Fenster waren mit schwarzen Blenden lichtdicht verschlossen.
    »Ich will den Fußboden untersuchen«, sagte Jill, die inzwischen näher getreten war.
    Derek nickte.
    Jill kam zu ihm herein, ging in die Knie und befühlte vorsichtig den Teppich. Als sie hinter die Tür blickte, sagte sie: »Oh je.«
    »Was ist?«
    »Die Tür ist verdrahtet. Gut, dass Sie sie nicht weiter geöffnet haben. Wie es aussieht, soll sie reagieren, wenn …« Sie verstummte.
    »Was?«
    »Schauen Sie!« Jill sprang auf und deutete auf die Wand hinter der Tür. Dort hing eine Digitalanzeige. Die Drähte von der Tür liefen dorthin. Helle rote Zahlen zählten herunter: 10, 9, 8 …
    Daneben war ein Touchpad.
    »Nichts wie raus mit Ihnen!«, entfuhr es Derek.
    »Derek …«
    Er packte sie und schob sie in den Flur, blickte sich im Zimmer um und sprang zum Computertisch.
    7 …
    6 …
    Er riss einen Schreibblock vom Tisch und eilte zur Tür. Dabei verfing er sich mit seiner Krücke.
    5 …
    4 …
    Jill fasste ihn beim Hemd und zerrte ihn aus dem Zimmer; fast trug sie ihn.
    Im Kopf zählte Derek weiter herunter: 3 …
    Jill riss die Haustür auf.
    2 …
    Sie taumelten nach draußen auf die Betonveranda.
    1 … dachte Derek.
    Sie rannten über den Rasen.
    0 …
    Nichts geschah. Sie drehten sich um und sahen das Haus an. »Vielleicht war es nur eine Alarmanlage«, mutmaßte Jill.
    In dem Moment zerbarst das Haus. Glasscherben und Holzsplitter wirbelten nach außen. Die Druckwelle schleuderte sie zu Boden. Als sie wieder etwas wahrnahmen, war das kleine Haus in Flammen gehüllt.

78
    18.40 Uhr
    Jill rollte sich herum und presste die Hände auf ihre schmerzenden Ohren. Jedes Geräusch wirkte gedämpft – das Brausen der Flammen, die das Haus verschlangen, fernes Sirenengeheul, das Murmeln der Nachbarn, die herbeikamen, um zu sehen, was passiert war. Sogar Dereks Stimme.
    »Alles okay?«, erkundigte er sich.
    Jill sah ihn an. Er saß aufrecht und starrte das Haus an. »Kann nicht gut hören«, sagte sie.
    Er nickte und zeigte auf seine eigenen Ohren. »Ich auch nicht. Hoffe, es geht bald vorbei.«
    Sie brachte sich in Sitzhaltung und stand vorsichtig auf. Eine Sekunde lang wankte sie, dann übernahm ihr Gleichgewichtssinn. Sie hielt Derek die Hand hin und half ihm hoch.
    »Wo ist Ihre Krücke?«, fragte sie.
    Er zeigte darauf. Sie lag fünf Meter entfernt im Gras. Jill nickte, eilte hin und brachte sie ihm.
    Derek musterte stirnrunzelnd den Boden. »Ich habe ihn fallen gelassen. Wo ist er bloß?«
    »Was?«
    »Der Notizblock, den ich vom Schreibtisch genommen habe.«
    »Stand etwas drauf?«
    »Weiß ich nicht. Ich hatte nicht viel Zeit. Aber ich dachte, etwas muss ich mitnehmen.«
    »Wollen wir hoffen, dass es das wert war.«
    Einer der Nachbarn stürzte herbei. Er war ein großer, stämmiger Mann mit rasiertem Kopf und einem grauen Ziegenbärtchen. Obwohl er dadurch hartgesotten wirkte, musste Jill bei seinem Anblick unwillkürlich an einen Hundewelpen denken. Etwas in seiner Körpersprache deutete darauf hin, dass er ein netter Kerl war. Er trug eine ausgebleichte Jeans und ein graues Sweatshirt und sah aus, als verbringe er einige Zeit im Fitnessstudio.
    »He, ist alles in Ordnung?« Seine Stimme lag für einen so großen Mann ein wenig zu hoch.
    »Ich glaube schon«, sagte Jill.
    »Was zum Teufel ist passiert?«
    »Das Haus ist in die Luft geflogen«, antwortete Derek. »Mein Gott!« Er hinkte davon, suchte weiter nach dem Notizblock.
    Jill runzelte die Stirn. Sie wandte sich dem Nachbarn zu. »Kennen Sie den Eigentümer?«
    »Nein, aber den Mieter. Ein junger Bursche wohnt da. Japaner, glaube ich. Komischer Vogel. Hab mich ein oder zwei Mal mit ihm unterhalten. Nicht besonders freundlich.« Er blickte voller Unbehagen auf das Haus. »Ist er da drin?«
    »Nein«, erwiderte Jill. »Haben Sie eine Idee, wo er sein könnte?«
    Der Nachbar zuckte mit den Schultern. »Nein, keine Ahnung. Er

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