GK0113 - Doktor Tods Höllenfahrt
wackelig und mußte sich abstützen, aber von Sekunde zu Sekunde fand er seinen Gleichgewichtssinn wieder.
Die Fackel brannte auf dem Boden weiter. Die Flamme wurde von der durch die offene Tür hereinströmenden Luft nach unten gedrückt, und John mußte aufpassen, daß seine Hosenbeine kein Feuer fingen.
Johns Blick flog suchend umher. Von den drei Partygästen war nichts zu sehen. Sie hatten hoffentlich die Gunst der Stunde genutzt und waren verschwunden.
Nur der Totengräber war da. Er lag immer noch bewußtlos in der Ecke. Das würde auch noch einige Zeit so bleiben. Johns Schlag hatte dafür gesorgt. Aber wo war Dr. Tod?
Hatte er überhaupt den Sturz überstanden, oder war sein verruchtes Leben längst beendet?
John fürchtete sich einen Moment davor, nach draußen zu gehen, aber schließlich hatte er das ungute Gefühl überwunden. Sollte Dr. Tod tatsächlich noch am Leben sein, dann wollte er, John Sinclair, sich eben wieder zum Kampf stellen. Mit angespannten Sinnen verließ John den Turm. Er wandte sich nach rechts, wo seiner groben Schätzung nach Dr. Tod auf den Boden geprallt sein mußte. John ging ein halbes Dutzend Schritte. Und dann sah er das dunkle Bündel im Gras liegen. Augenblicklich hielt John wieder den Nagel in der Hand. Langsam trat er näher, jeden Moment mit einem Angriff rechnend. Es passierte nichts.
John Sinclair blieb neben dem Menschenhasser stehen. Seine Füße berührten fast den verbrannten Körper. Wieder begann der geweihte Silbernagel zu strahlen. John hatte die Faust um diese Waffe geklammert, und er spürte, wie seine Handflächen die Wärme aufnahmen. Dr. Tod lebte noch!
Doch er bot einen grauenvollen Anblick. Aus dem Mund drang ein schreckliches Stöhnen. Was war geschehen?
Noch hatte John keine Erklärung. Normalerweise hätte Dr. Tod als Untoter ›normal‹ weiterleben müssen. Aber jetzt?
Der Inspektor spürte beinahe körperlich den Haß, der ihm entgegenströmte, und es stand für ihn fest, daß er diesmal endgültig gewonnen hatte. Dr. Tod war in seiner Hand!
Und das spürte auch der Menschenhasser. Ohne daß er von John aufgefordert werden mußte, begann er zu reden. »Du hast es geschafft, John Sinclair. Ich – ich kann mich nicht mehr rühren.« John merkte, wie das Sprechen dem Menschenhasser Mühe bereitete. Er stellte keine Fragen, sondern ließ Dr. Tod weiterreden.
»Der geweihte Nagel«, keuchte Dr. Tod, »er hat die Kraft aus meinem Körper gesaugt. Ich bin geschwächt, kann mich nicht einmal mehr erheben. Du hast gewonnen.« Dr. Tod versuchte sich herumzuwälzen. Nicht einmal das schaffte er. Mit letzter Kraft wandte er John das verbrannte Gesicht zu.
»Gib mir den Nagel«, keuchte er. »Ich werde meinem Dasein selbst ein Ende bereiten. Los, John Sinclair, gib ihn mir!« John zögerte. Konnte er dem Menschenhasser vertrauen? »Es ist kein Trick, John Sinclair!« drang Dr. Tods Stimme in seine Gedanken.
John öffnete die Faust. Augenblicklich umgab ihn eine silbrig flimmernde Lichtaura. Dr. Tod brüllte.
Er mußte rasende Schmerzen haben. Hier prallten zwei gegensätzliche Ströme aufeinander, Gut und Böse. Und das Gute war stärker.
Der zerschmetterte Körper des Menschenhassers zitterte. John Sinclair bückte sich und legte den geweihten Silbernagel in Dr. Tods Hand. »Töte dich selbst!« sagte John.
Er erhob sich, ging ein paar Schritte zur Seite und wandte sich ab.
John wollte den Todeskampf dieses Menschenhassers nicht mit ansehen. Irgendwie konnte er Dr. Tod sogar verstehen, daß er ihm den Triumph der Vernichtung nicht gönnen wollte.
Minutenlang hörte John hinter seinem Rücken ein schauriges Ächzen und Stöhnen. Es waren Laute, wie sie der Inspektor noch nie vernommen hatte.
Dr. Tod mußte alle Qualen durchleiden, die man sich nur vorstellen konnte.
Der Todeskampf war gräßlich.
Die Geräusche wurden leiser, gingen in ein Röcheln und Wimmern über und verstummten. John Sinclair wartete noch etwas, ehe er sich umdrehte. Auch der abgeklärte und harte Inspektor mußte die Zähne zusammenbeißen, als er Dr. Tod sah. Er war bereits zu Staub verfallen, den der Nachtwind davontrieb.
Zwischen den Resten lag der silberne Nagel. John Sinclair bückte sich und nahm ihn wieder an sich. Wer weiß, vielleicht konnte er ihn noch einmal gebrauchen… Ohne daß John es eigentlich wollte, legte sich ein befreites Lächeln um seine Lippen.
Er hatte den Kampf gegen einen Dämon gewonnen. Über Monate hatte sich diese Auseinandersetzung
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