GK072 - Die Feuerbestien
zu vertiefen, um da den Schlüssel des Geheimnisses herauszufinden.
Es wurde halb zwölf, ehe Vicky und ich uns gute Nacht sagten.
Ich war ziemlich erschöpft und schlief sofort ein.
Vicky blieb jedoch wach.
Viertel nach zwölf glaubte sie, unten ein Geräusch gehört zu haben.
Ein Seufzen war es gewesen. Leise. Unendlich unglücklich. Und dann ein Schluchzen. Ein Jammern. Ein Wimmern.
Vicky lauschte gespannt.
Man hatte behauptet, es würde in diesem Haus spuken.
Nun geschah es zum ersten Mal wirklich. – Abgesehen vom Erscheinen des Frams am Fenster. Das war ja draußen gewesen.
Um besser hören zu können, hielt Vicky den Atem an.
Nun wurde das unglückliche Seufzen lauter. Dazu war das dumpfe Geräusch von Schritten zu hören, die die Treppe hochkamen.
Erschrocken setzte sich Vicky auf. Sie wollte mich wecken, unterließ es dann aber. Sie grub die Schneidezähne aufgeregt in die Unterlippe. Ihre Augen weiteten sich. Zum Fenster fiel ein fahles Mondlicht herein. Der silbrige Schein leuchtete auf die Tür, an der sich mit einemmal die Konturen eines Mannes abzuzeichnen begannen.
Nur die Konturen.
Gewiss hätte der Mann die Möglichkeit gehabt, unser Schlafzimmer zu betreten, ohne die Tür zu öffnen. Aber er tat es nicht.
Er begnügte sich damit, vor der Tür eine Weile reglos stehen zu bleiben und gespenstische Seufzer auszustoßen.
Vicky schauderte.
Eine raue Gänsehaut umspannte ihren Körper. Sie fror mit einemmal und rieb sich fröstelnd die Oberarme. Plötzlich verschwand die Erscheinung. Die dunkle Silhouette löste sich einfach auf, so dass Vicky daran zu zweifeln begann, was sie gesehen hatte. Auch das Seufzen hatte aufgehört. Aber das Poltern der Schritte war noch zuhören.
Langsam ging der Mann wieder nach unten.
Vicky schlug schnell die Decke zur Seite. Hastig schlüpfte sie in ihre Pantoffel.
Natürlich wäre es richtiger gewesen, mich zu wecken, mich zu informieren, sich nicht allein in eine solch große Gefahr zu begeben, doch wer überlegt schon so eiskalt, wenn er so aufgeregt ist, wie Vicky es in diesem Moment war.
Sie warf sich den wattierten Morgenrock über. Während sie auf die Schlafzimmertür zuschlich, schloss sie die Knöpfe des Kleidungsstücks. Als sie die Tür erreichte, hatte sie den letzten Knopf geschlossen.
Ehe sie es sich anders überlegen konnte, griff sie nach der Klinke.
Dann war schon fast nichts mehr rückgängig zu machen. Alles passierte beinahe von selbst. Vicky machte die Tür auf, trat nach draußen. Ein seltsamer Geruch stieg ihr in die Nase. Ein Geruch den sie nicht definieren konnte.
Unten schlurften Schritte durch die Halle.
Vicky schlich zur Treppe.
Sie beugte sich über das Geländer und sah den Mann. Er ging aufrecht, hatte ihr den Rücken zugekehrt, ging steif und mit eckigen Bewegungen auf den Kellerabgang zu.
Erregt tastete sich Vicky die Treppe hinunter. Ihre zarte Hand klammerte sie an das Geländer, als fürchte sie, ihre Beine würden irgendwann mal dem Drängen der Aufregung nachgeben und einfach einknicken.
Als sie schon fast unten war, schaute sie zurück.
Es wäre vernünftiger gewesen, umzukehren.
Aber da war ein Zwang, den sie sich nicht erklären konnte. Ein Zwang, der sie weitergehen ließ. Ein Zwang, der sie hinter diesem unheimlichen Mann her trieb.
Furchtsam huschte sie durch die leere Halle.
Der Mann war nicht mehr zu sehen.
Zitternd vor Angst erreichte Vicky den offen stehenden Kellerabgang. In ihren erhitzten Kopf summten die Gedanken. Sie fragte sich, was der Mann dort unten zu suchen hatte, wollte erfahren, war er dort unten machte, wohin er ging.
Während sie sich ängstlich an den Türrahmen lehnte, wehte ihr von unten wie der dieses unheimliche Seufzen entgegen.
Ihre Füße fanden die Stufen, glitten darüber hinweg, als würde sie schweben. Schnell, zu schnell eilte sie hinter den gespenstischen Mann her.
Er ging auf die Stirnwand des Keller zu.
Plötzlich schien er zu fühlen, dass jemand hinter ihm war. Er blieb abrupt stehen. Steif stand er für den Bruchteil einer Sekunde da. Dann wandte er sich um.
Vickys Augen weiteten sich.
»Lance!«, stieß sie verdattert hervor. »Was machen Sie in unserem Keller?«
***
Manchmal schläft mein sechster Sinn nicht einmal dann, wenn ich selbst schlafe. Man kann das eine außergewöhnliche Begabung oder wie auch sonst immer nennen. Tatsache ist, dass ich sehr oft die Gefahr auch im Schlaf wittere.
Dann werde ich unruhig. Ich werfe mich im Bett hin und her
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