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Glashaus

Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gray
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er damit durchkommt Dich als Killer einzuspannen. Jeder weiß doch: Bullen sind die besseren Kriminellen. Du selbst bist schließlich der beste Beweis dafür.“

    1 Uhr 38. Das Zittern war vorbei. Younas brachte seine Hände dazu sie wieder ums Steuer zu legen.
    Einige Zeit verharrte er steif und gerade im Sitz. Den Blick auf irgendeinen imaginären Punkt außerhalb der Frontscheibe gerichtet.
    Irgendwann startete er den Motor, dessen leises Blubbern ihm für einen Moment trügerische Sicherheit vorgaukelte. Ein Motor war ein Motor und blieb es. Ganz im Gegensatz zu der Welt, in der er von dieser Nacht an lebte.
    Er ordnete den Toyota in den Strom der Wagen, die über die Schnellstraße glitten. Für einen köstlichen Moment hatte er das Gefühl im Strom der vorbeiziehenden Lichter untergehen zu können.
    Ein rotes Lämpchen im Armaturenbrett zeigte ihm, dass er tanken musste.
    Younas lenkte den Toyota in die Auffahrt der Tankstelle, rollte zur Zapfsäule, suchte ein paar Scheine aus seinen Taschen zusammen, tankte voll und ging durch die Tür des Tankstellenshops.
    Stille.
    Keiner zu sehen. Plastikregale mit buntem Zeugs darauf, an das Younas keinen Blick verschwendete.
    Dann Türenklappen.
    Ein Kaugummi kauendes Mädchen erschien. Von draußen gleichzeitig das Brummen eines schweren Motorrades. Younas und das Mädchen sahen sich danach um.
    Eine Frau in Jeans, einer roten Jacke, einen Helm auf dem Kopf, klappte den Ständer ihrer Harley ab, setzte den Helm ab und machte sich in den Shop auf.
    Younas löste sich zuerst vom Bild der Motorradfahrerin und trat an die Kasse.
    Die Motorradfahrerin betrat den Shop, öffnete den Reißverschluss ihrer Jacke, schüttelte mit einer sanften Bewegung ihren Kopf, ihr Haar, das ihr daraufhin in weichen Locken um die Schultern fiel.
    Die Blicke des Kaugummi kauenden Mädchens hinter der Kasse verhakten sich auf den Nippeln der Motorradfahrerin, die unter ihrem dünnen T-Shirt hervorstanden. Die Harleybraut baute ein breites herausforderndes Lächeln in ihr Gesicht.
    Für die beiden Frauen war Younas weniger als Luft. Unbändiger Zorn ergriff ihn.
    Er war so gut ein Kunde wie die Harleybraut.
    Er war ein Mann. Er hatte in dieser Nacht ZWEI MENSCHEN GETÖTET. Er hatte soviel Respekt verdient wenigstens wahrgenommen zu werden. Aber diese beiden Muschis taten so als sei er nicht mal Mensch genug, um wenigstens als Störfaktor in ihrem Spielchen wahrgenommen zu werden.
    „ Hi.“
    Auf dem T-Shirt der Harleybraut prangte ein kitschig buntes Jesus-Porträt mit der Aufschrift: Too old to die Young .
    Die Kleine hinter der Theke lächelte die Harleytusse selig an.
    „ Hi.“
    Younas Seele badete in tiefem dunklen Rot. Er riss Halifs Pistole aus dem Mantel und hielt sie dem Mädchen hinter der Kasse ins Gesicht.
    Wie in Trance trat sie zwei Schritte von der Shoptheke zum Tabakwarenregal zurück und hob die Hände.
    Aus den Augenwinkeln heraus: eine Bewegung der Harleyfahrerin. Younas wirbelte herum. Der Lauf der Waffe, der sich jetzt auf die Harleyfahrerin richtete.
    Plötzlich die Bilder des Mädchens auf dem Parkplatz der Disko und der Blick des Mannes im Duschraum, die miteinander verschmolzen – das tiefe Purpurrot in Younas Seele in wässrig waberndes Blau verwandelten.
    Wie jetzt auch die Harleyfahrerin ihre Hände hob, hinter dem Nacken verschränkte und danach LANGSAM zwei, drei, vier langsame Schritte hin zur Shoptheke vollführte.
    Das wabernd wässrige Blau wurde zu einem Wirbel in dem Younas zu ertrinken drohte.
    „ Will zahlen … Nummer 6 …!“
    Das Mädchen hinter der Shoptheke begann zu schreien.
    Das Blau in ihm befahl ihm die letzten beiden Kugeln seines Magazins neben dem Kopf des Kaugummi kauenden Mädchens in die Videokamera und das Aufzeichnungsgerät im Warenregal zu jagen.
    Zigarettenpackungen, Rekorderteile, Zeitungen und CDs, die in einem stillen Tanz umeinander flogen.
    Die Gestalt des Kaugummi kauenden Mädchens verschwand irgendwo hinter der Theke. Der aufgerissene Mund der Harleyfahrerin. Jesus, der von ihrem T-Shirt herab dazu unerschütterlich süßlich weiter lächelte.
    Younas warf drei Zwanziger über die Papierschnipsel, die wie ein Schneeschauer auf die Shoptheke herabgerieselt waren, wandte sich um, und lief hinaus. Nichts, das ihm folgte. Außer vielleicht der Erkenntnis, dass er weit über jede Scham und jedes Stück Mitleid, das womöglich noch am Abend vor dieser Nacht in ihm gewesen sein mochte, hinausgelangt war.

    1 Uhr 40. Der dürre

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